Die Persönlichkeit der Wähler: Eine vergessene Einflussgröße

Neue Forschungsstudie untersucht Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Wahlentscheidung / Förderung durch Frintz Thyssen Stiftung

18.08.2003

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit eines Menschen uns seinem Wahlverhalten? Mit dieser Fragestellung startet Privatdozent Dr. Siegfried Schumann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein neues Forschungsvorhaben, das von der Fritz Thyssen Stiftung mit rund 89.000 Euro unterstützt wird. "In den Theorien der modernen Wahlforschung werden Persönlichkeitseigenschaften zur Erklärung des Wählerverhaltens ausdrücklich nicht berücksichtigt", erklärt der Politikwissenschaftler. "Das widerspricht der Alltagserfahrung. Ein Wähler der Grünen sieht anders aus als – sagen wir – einer der CSU." Deshalb vermutet Schumann, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Wahlverhalten gibt. Entsprechende Untersuchungen durch Umfragen will Schumann mit einem interdisziplinären Team von Forschern aus verschiedenen deutschen Universitäten im Herbst beginnen.

In seinen Vorarbeiten, die Ende der 1980er-Jahre begannen und 1999/2000 "gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung" einen vorläufigen Abschluss fanden, konnte Schumann zunächst nachweisen, dass Persönlichkeitseigenschaften mit Parteisympathien zusammenhängen und diese offenbar beeinflussen. An zentraler Stelle sind hier die Eigenschaften "Offenheit für Erfahrung", "Gewissenhaftigkeit" und (soziale) "Verträglichkeit" zu nennen. Beispielsweise zeigt sich, dass Personen mit hohen Werten für "Offenheit für Erfahrung" eher Sympathie für die Grünen zeigen und Personen mit niedrigen Werten eher Sympathie für die Unionsparteien.

Das neue Projekt, das ebenfalls von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wird, baut auf diesen grundlegenden Ergebnissen auf und führt die Untersuchungen einen Schritt weiter. Untersucht wird nun die für die empirische Wahlforschung zentrale abhängige Variable "Wählerverhalten" anstatt wie bisher "Parteisympathien". Von besonderem Interesse sind dabei Prozesse, über die Persönlichkeitseigenschaften Einfluss auf das Wählerverhalten nehmen könnten.

An den Untersuchungen beteiligt sich ein interdisziplinäres Forscherteam. Es arbeiten neben anderen mit: Prof. Lang (Halle-Wittenberg; Persönlichkeitspsychologie), für die Politikwissenschaft im engeren Sinne Prof. Gabriel (Stuttgart; Parteiidentifikation), Prof. Kunz (Mainz; Rational-Choice Ansätze) und Prof. Rattinger (Bamberg; Nichtwählerforschung), für die Soziologie Prof. Jagodzinski (Köln; Religiosität) und Prof. Hradil (Mainz), für die Autoritarismusforschung Dr. Oesterreich (Berlin), für die Werteforschung Prof. Klages (Speyer) und für die Medienforschung Prof. Kepplinger (Mainz; Wahrnehmung von Kandidaten). Ergebnisse werden Mitte 2004 erwartet.