Physiker der JGU grenzen Suchbereich für Dunkle Materie weiter ein
07.10.2019
Die Suche nach Dunkler Materie ist eine der spannendsten Herausforderungen der Grundlagenphysik des 21. Jahrhunderts. Die Forscher wissen seit Langem, dass es sie geben muss, denn ohne sie lassen sich viele astrophysikalische Beobachtungen nicht erklären. Beispielsweise bewegen sich die Sterne weit schneller, als sie es tun dürften, wenn nur "normale" Materie existieren würde.
Insgesamt macht die uns bekannte sichtbare Materie nur maximal 20 Prozent der gesamten Materie im Universum aus – während ganze 80 Prozent der Dunklen Materie zuzurechnen sind. "Es steht sinnbildlich ein großer Elefant im Raum – und wir sehen ihn nicht", erläutert Prof. Dr. Dmitry Budker, Wissenschaftler am Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und am Helmholtz-Institut Mainz (HIM), die Herausforderung, vor der er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen weltweit stehen.
Dunkle Materie könnte aus extrem leichten Teilchen bestehen
Bisher weiß jedoch niemand, woraus die Dunkle Materie besteht. In der Fachwelt wird eine ganze Reihe möglicher Teilchen, die als Kandidaten theoretisch in Frage kommen, diskutiert und erforscht. Als einer der vielversprechenden Kandidaten gelten heute sogenannte extrem leichte bosonische Teilchen. "Diese können wir auch als klassisches Feld ansehen, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese – und demzufolge die Masse der Teilchen – ist, wissen wir aber nicht", so Budker. "Unsere Grundannahme ist, dass dieses Dunkle Materie-Feld an die sichtbare Materie ankoppelt und dabei bestimmte, eigentlich konstante Eigenschaften der Atome sehr subtil verändert."
Mit seiner Mainzer Arbeitsgruppe hat Budker nun eine neue Methode entwickelt, die in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Physical Reviews Letters beschrieben ist. Sie beruht auf der Atomspektroskopie und beobachtet einen Dampf aus Cäsium-Atomen. Die Atome lassen sich mit Laserlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge anregen. Diese Wellenlänge sollte sich minimal verändern, sobald der Cäsium-Dampf an ein Feld aus Dunkle-Materie-Teilchen ankoppelt.
"Grundsätzlich liegt unserer Arbeit immer ein spezielles theoretisches Modell zugrunde, dessen Hypothesen wir experimentell überprüfen", ergänzt der Erstautor der Veröffentlichung, Dr. Dionysis Antypas. "Hier arbeiten wir mit dem sogenannten Relaxion-Modell, das unsere Kollegen und Ko-Autoren am Weizmann Institut in Israel entwickelt haben." Die Relaxion-Theorie besagt, dass es in der Nähe großer Massen wie der Erde einen Bereich geben muss, in dem die Dichte an Dunkler Materie größer und demzufolge die Kopplungseffekte einfacher zu beobachten und aufzuspüren sind.
Bisher unzugänglichen Frequenzbereich abgesucht
Mit ihrer neuen Methode haben die Wissenschaftler jetzt einen bisher unerforschten Frequenzbereich zugänglich gemacht, in dem sich im Rahmen der Relaxion-Theorie die Auswirkungen bestimmter Formen der Dunklen Materie auf die atomaren Eigenschaften des Cäsium verhältnismäßig deutlich zeigen sollten. Auch erlauben die Ergebnisse den Forschern, neue Einschränkungen in Bezug auf die Natur dieser Dunklen Materie zu formulieren. Wobei Prof. Dr. Dmitry Budker die akribische Spurensuche gern mit dem Bild des Tigers in der Wüste veranschaulicht. "In dem Frequenzbereich, den wir in unserer aktuellen Arbeit durchsucht haben, hat sich die Dunkle Materie bisher nicht zu erkennen gegeben – aber immerhin wissen wir nun, nachdem wir diesen Bereich durchkämmt haben, dass wir dort nicht weitersuchen müssen." Übertragen auf den Tiger bedeutet das, dass die Forscher zwar immer noch nicht wissen, in welchem Teil der Wüste der Tiger ist, aber sehr wohl, in welchem Teil er nicht ist. "So grenzen wir den Teil der Wüste, in dem der Tiger sein kann, immer weiter ein. Und irgendwann werden wir ihn auf diese Weise finden", ist Budker überzeugt.