Archäologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz legen antiken Statthalterpalast in der Türkei frei

Internationales Grabungsteam sichert außergewöhnliche Funde

21.10.2008

Im Rahmen eines internationalen Rettungsgrabungsprojekts konnte ein vierköpfiges Team vorderasiatischer Archäologen unter Leitung von Dr. Dirk Wicke vom Institut für Ägyptologie und Altorientalistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in einer zweimonatigen Grabungskampagne Teile eines neuassyrischen Statthalterpalasts des 9. bis 6. Jahrhunderts v. Chr. in dem Ruinenhügel Ziyaret Tepe mit außergewöhnlichen Funden freilegen. Der Fundort im Südosten der Türkei in der Provinz Diyarbakir ist durch den Bau des Ilisu-Staudamms gefährdet und wird bereits seit mehreren Jahren von Teams der Universitäten von Ohio, Cambridge, München und Istanbul in einem gemeinsamen Grabungsprojekt untersucht. Eine Unterstützung mit Mitteln des Forschungsfonds der JGU in den Jahren 2007 und 2008 ermöglichte den Mainzer Archäologen eine Beteiligung an dieser international wie interdisziplinär breit angelegten Unternehmung. Eine Fortsetzung des Projekts für weitere drei Jahre ist geplant.

Die Region des Oberen Tigris geriet in der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. in den Herrschaftsbereich der Assyrer, die in dem Ort Tuschan ihre Provinzhauptstadt anlegten, das heutige Ziyaret Tepe. Nach historischen Inschriften des assyrischen Herrschers Assurnasirpal II. ist die Errichtung eines Verwaltungspalasts in Tuschan für das Jahr 882 v. Chr. gesichert. Der Grabungsbereich des Mainzer Teams umfasst den Bereich der Akropolis, der einst von diesem Statthalterpalast eingenommen worden sein muss. Teile des privaten Wohnbereichs und eines Hofes konnten bereits freigelegt und erforscht werden. Zur reichen Ausstattung der Haupträume gehören dabei nicht nur farbige Wandmalereien, sondern beispielsweise auch eine Einrichtung für einen Herdwagen. Geflieste Räume beweisen den hohen Wohnkomfort am Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends.

Zu den ungewöhnlichsten Entdeckungen zählen aber insgesamt nunmehr fünf Feuerbestattungen im Bereich eines großen Hofareals, von denen zwei ungestört waren und sehr reiche Beigaben enthielten. In den rund 1,50 Meter mal 2 Meter großen rechteckigen Gruben kamen in einer beträchtlichen Schicht aus Asche verbrannte Knochen sowie zahlreiche Bronzegefäße, reiche Stein- und Elfenbeingefäße, gravierte Elfenbeineinlagen, Siegel und Perlen zutage. Diese Dinge zeigen den hohen Status der hier bestatteten Personen an, bei denen es sich um Palastbewohner gehandelt haben muss. Nächste Parallelen zu diesen Objekten finden sich in den assyrischen Hauptstädten Assur und Nimrud im heutigen Irak.

Neben dem diesjährigen Fund der Brandbestattung fand sich zusätzlich unter dem Pflasterziegel des Hofes ein seltener Hortfund von über 20 Bronzegefäßen, darunter ein Kännchen, ein Weinschöpfgefäß, ein Sieb, mehrere Schalen und Becher, zumeist aus getriebener Bronze. Diese warten nun auf einen Restaurator, der ihre reichen Verzierungen freilegt, die unter der Korrosionsschicht bereits sichtbar sind.

Mit der archäologischen Forschungsarbeit am Ziyaret Tepe in der Türkei hat die vor zehn Jahren in Mainz etablierte Vorderasiatische Archäologie neben den Grabungen in Haft Tappeh und Tchogha Zanbil im Iran ein weiteres Feldforschungsprojekt an der Universität verankern können. So können auch Studierende Einblick in die unmittelbare Arbeit in den Regionen ihres Fachs bekommen und werden gleichzeitig in die internationale Forschung eingebunden.

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