Analysen vom Fließband

Uniklinikum Mainz setzt auf vollautomatisierte Analysen - 18 Meter lange Laborstraße hat sich bereits bewährt

18.08.2008

Blutuntersuchungen, Urindiagnostik, Proteinanalytik: Mit 5,4 Millionen Untersuchungsergebnissen pro Jahr versorgt das Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin als Zentrallabor das gesamte Mainzer Universitätsklinikum. 3,8 Millionen Blutanalysen davon übernimmt inzwischen eine vollautomatische Laborstraße, die im Zentrallabor des Uniklinikums im neuen Gebäude der "Medizinischen Kliniken" untergebracht ist. Die Vorteile: eine standardisierte und damit präzisere Probenbearbeitung, Entlastung des Personals von immer wiederkehrenden Routineaufgaben, schnellere Bearbeitungszeiten, ein kontinuierlicher Probendurchsatz und eine einfachere Archivierung der Analysen.

"Das Zentrallabor eines Krankenhauses von der Größe der Universitätsklinik Mainz muss permanent ein breites Analysenspektrum vorhalten – und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche", skizziert Prof. Karl Lackner, Leiter des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, die Herausforderung, die er mit seinem Team bewältigen muss. "Auch auf Notfälle müssen wir dabei schnell reagieren können – bei der Labordiagnostik eines Herzinfarkts etwa zählt jede Minute."

Im letzten Jahr ist das Zentrallabor zusammen mit den Medizinischen Kliniken und Teilen der Radiologie und der Neurologie in ein neues Gebäude (Geb. 605, Medizinische Kliniken) gezogen. Herzstück des Instituts ist seitdem ein zentrales Großraumlabor, in dem auch die neue Laborstraße Platz findet. "Diese Laborstraße übernimmt sowohl die Routine als auch die Notfallanalytik", so Dr. Johannes Lotz, Leitender Oberarzt des Zentrallabors. "Gegenüber früher, als aufgrund der baulichen Situation Routine- und Notlabor getrennt waren, ist das organisatorisch ein großer Vorteil." Die neue Laborstraße übernimmt dabei die komplette klinische Chemie, hierzu zählen Analysen mittels chemischer Reagenzien, sowie große Teile der Immunologie, also Analysen mithilfe von Antikörpern: 144 Parameter können so vollautomatisch bestimmt werden. Die hämatologischen Untersuchungen – also beispielsweise die Erstellung von Blutbildern – sowie Gerinnungstests – wie die Bestimmung des Quick-Wertes bei Marcumar-Patienten – blieben dagegen unverändert.

Inzwischen geben die meisten Stationen die gewünschten Parameter, die analysiert werden sollen, online ein: Der Computer spuckt anschließend einen Barcode aus, mit dem die Stationsmitarbeiter die Blutproben etikettieren. Per Rohrpost oder per Bote erreichen dann etwa 3.000 Röhrchen pro Tag das Labor aus denen mehr als 15.000 Untersuchungsergebnisse bestimmt werden. In die Maschine eingeschleust passieren die Röhrchen dann in beinahe endlosen Kolonnen wie auf einem Fließband die 18 Meter lange Laborstraße. Roboterarme greifen nach den Röhrchen und steuern ihre Reise durch die verschiedenen Messstationen der Laborstraße. Erste Station ist die Zentrifuge: Hier wird das Blut so lange geschleudert, bis als Überstand das bernsteinfarbene Blutplasma oder Serum übrig bleibt. Als nächstes schraubt ein automatischer Deckelöffner die Kappe ab. Durch Radiofrequenzsteuerung weiß die Maschine jetzt genau, an welchem Messgerät das Röhrchen abbiegen muss, und welches es passieren kann. Ebenfalls automatisch entnehmen dann Pipetten winzige Mengen Plasma, mischen es mit dem richtigen Reagenz und analysieren das Ganze – dann geht es weiter zur nächsten Messstation. Vorläufiges Ende der Reise ist ein gigantischer Kühlschrank, in dem bis zu 15.000 Probenröhrchen Platz finden. Das reicht etwa für eine Woche, deshalb spuckt der Kühlschrank kontinuierlich die jeweils ältesten Proben in eine große Abfalltonne.

Elektrolyte wie Natrium oder Kalium, Fette und Cholesterin, Nieren- oder Leberwerte Proteine, Tumor-, Infektions- oder Entzündungsmarker: Alle Analysenergebnisse werden vom Computer nach Ende der Reise den jeweiligen Patienten zugeordnet. Aber erst wenn Medizinisch Technische Assistenten und Laborärzte die Daten auf Plausibilität geprüft haben, werden sie freigegeben und an die anfordernde Stelle rückgemeldet.

"Durch die neue Laborstraße lässt sich die Bearbeitung der Proben standardisieren, was einerseits einen Qualitätsgewinn bedeutet", erläutert Prof. Lackner. "Andererseits wird das Personal so von immer wiederkehrenden Routineaufgaben entlastet. Dieses Personal kann nun stattdessen bei speziellen, arbeitsintensiven Analysen eingesetzt werden, etwa bei molekulargenetischen oder massenspektrometrischen Untersuchungen."

Auch die Probenbearbeitungszeit ist ein wichtiger Faktor, der gerade im Hinblick auf immer kürzere Liegezeiten der Patienten an Bedeutung gewinnt. Schließlich werden Laborwerte für die Diagnose der meisten Krankheiten zwingend benötigt. "Wir gehen davon aus, dass wir mit der neuen Laborstraße die mittlere Probenbearbeitungszeit von bisher 75 Minuten deutlich senken können“, betont Dr. Lotz. „Ebenso wichtig ist es aber, die Zahl der Ausreißer, also der Proben, die eine wesentlich längere Bearbeitungszeit haben, zu reduzieren. Dies ist insbesondere bei Notfallproben – wenn zum Beispiel im Rahmen der Herzinfarktdiagnostik das Eiweiß Troponin bestimmt werden muss – essentiell."