Abwehrmechanismus von Algen schützt zuverlässig vor marinem Fouling

Cerdioxid-Nanopartikel greifen in Kommunikation zwischen Bakterien ein und verhindern Biofilmbildung

21.12.2016

Chemiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben eine Methode entwickelt, um das gefährliche Fouling im Meerwasser effektiv, günstig und umweltschonend zu bekämpfen. Fouling tritt zum Beispiel an Hafenanlagen, Schiffsrümpfen oder den Netzen von Aquakulturen auf, wenn sich Bewuchs von Bakterien, Algen oder Muscheln bildet. Die Schäden und Folgekosten können erheblich sein und werden allein in der Schifffahrt auf jährlich über 200 Milliarden Dollar geschätzt. Schutzanstriche, die aufgebracht werden, enthalten meist kupferhaltige Biozide. Deren Nachteil ist, dass die Umwelt darunter leidet und sich Resistenzen ausbilden können. Für ihre Alternative haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Wolfgang Tremel einen Abwehrmechanismus von Algen nachgeahmt und festgestellt, dass Nanopartikel aus Cerdioxid den Bewuchs effektiv unterbinden. Die Entdeckung könnte zur Herstellung neuer Schutzanstriche beitragen, die weit weniger umweltbelastend sind als die bisher verwendeten Schiffslacke.

Marine Algen nutzen sekundäre Stoffwechselprodukte zur chemischen Abwehr von pathogenen Mikroorganismen oder Fressfeinden. Die halogenierten Sekundärmetabolite schützen vor dem Bewuchs mit bakteriellen Biofilmen, Algen oder auch Seepocken, die sich auf größeren Algen, Schwämmen und anderen Lebewesen festsetzen können. Halogenierte Verbindungen der Rotalge Delisea pulchra verhindern zum Beispiel den Bewuchs mit Bakterien, wirken aber weder toxisch noch wachstumshemmend. Stattdessen torpedieren sie das "Quorum Sensing", also die Kommunikation zwischen Bakterien durch Botenstoffe, die zur Bildung von Biofilmen führt. Die halogenierten Verbindungen der Alge besitzen eine ähnliche Struktur wie diese Botenstoffe und können daher die Botenstoffe von dem Signalempfänger-Bakterium verdrängen. Letztlich verhindern sie damit, dass die bakterielle Genregulation auf Biofilmbildung umschaltet. Dieser Eingriff in die bakterielle Genregulation ist auch von pharmakologischem Interesse, denn pathogene Bakterien können sich durch die Bildung von Biofilmen, beispielsweise auf den Epithelien der Atemwege, dem Angriff der Immunabwehr oder der Wirkung von Antibiotika entziehen.

Den natürlichen Abwehrvorgang ahmen die Mainzer Chemiker mit Nanopartikeln aus Cerdioxid nach. "Feldversuche zeigen, dass Cerdioxid ein umweltfreundlicher Ersatz für Cuprit ist, das als Biozid neben Kupferthiocyanat und Kupferpyridin in Antifoulinglacken in Anteilen bis zu 50 Prozent enthalten ist", erklärt Prof. Dr. Wolfgang Tremel vom Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der JGU. Kupferverbindungen sind jedoch giftig und reichern sich in der Umwelt an. Einige Länder wie Kanada und Dänemark haben deshalb auch die Verwendung von kupferhaltigen Antifoulings bereits stark eingeschränkt.

Kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zu kupferhaltigen Bioziden

"Cerdioxid ist in jedem modernen Abgaskatalysator von Fahrzeugen enthalten. Es ist nicht giftig und chemisch extrem stabil", ergänzt Karoline Herget, die ihre Doktorarbeit in Tremels Projekt durchgeführt hat. Sie ist davon überzeugt, dass Cerdioxid eine praktikable und kostengünstige Alternative zu konventionellen Bioziden ist.

Cerdioxid, ein Oxid des Seltenerd-Metalls Cer, fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung der Seltenen Erden an. Cer ist allerdings nicht selten, sein Preis ist daher vergleichbar mit dem von Cuprit (Kupfer(I)oxid), es wird aber in sehr viel geringeren Mengen eingesetzt. "Wir haben hier eine umweltverträgliche Komponente für eine neue Generation von Antifoulingfarben, die das natürliche Verteidigungssystem mariner Organismen nachahmen. Vor allem funktioniert es nicht nur im Labor, sondern auch im praktischen Einsatz in Gewässern", fügt sie hinzu. Stahlplatten, die mit Lacken unter Verwendung von Ceroxid-Nanopartikeln beschichtet sind, können wochenlang dem Meerwasser ausgesetzt werden, ohne dass sich Ablagerungen von Bakterien, Algen, Muscheln und Seepocken bilden. Vergleichsproben, die nur mit normalen Wasserlacken gestrichen werden, zeigen im gleichen Zeitraum bereits ein massives Fouling.

Biofilme sind praktisch allgegenwärtig. Sie kommen in Trinkwasserleitungen und Kläranlagen ebenso vor wie im Grundwasser, bei der Wasserfiltration und -kühlung, auf nahezu jeder Oberfläche – etwa in Lebensmittelverpackungen, an Türgriffen, auf Druckknöpfen, Keyboards oder anderen Kunststoffbauteilen – sowie im medizinischen Bereich wie etwa bei Kathetern. Die große Gefahr bei der Bekämpfung mit Bioziden und Antibiotika ist die Resistenzbildung. Dies könnte durch Oberflächenbeschichtungen mit Cerdioxid-Partikeln wirkungsvoll und umweltfreundlich umgangen werden. Das neue Verfahren kann daher Anwendung in Boots- und Außenanstrichen, Dachabdeckungen, Outdoor-Textilien, Polymermembranen für die Wasserentsalzung, Gehegen für Aquakulturen oder vielen Kunststoffkomponenten finden.

Das Forschungsprojekt erfolgte in Kooperation mit der BASF und wurde in der Fachzeitschrift Advanced Materials publiziert.