Nachwuchswissenschaftler erhalten Auszeichnung für herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Kardiologie und Immunologie
02.12.2015
Im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung zeichnete die Boehringer Ingelheim Stiftung die Kardiologin Dr. Susanne Karbach und den Immunologen Dr. Alexander Ulges von der Universitätsmedizin Mainz mit dem diesjährigen Boehringer-Ingelheim-Preis aus. Die beiden erfolgreichen Nachwuchswissenschaftler teilen sich den mit insgesamt 30.000 Euro dotierten Preis. Karbach fand eine mögliche Erklärung für die Beobachtung, dass bei Patienten mit der Hauterkrankung Psoriasis verstärkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Ulges entdeckte eine neue Gruppe regulatorischer T-Zellen, die die Immunabwehr in der Lunge reguliert und entschlüsselte dabei auch den entsprechenden Mechanismus auf molekularer Ebene.
"Die Erforschung des Immunsystems und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählt zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten der Universitätsmedizin Mainz", betont Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan der Universitätsmedizin Mainz. "Die Auszeichnung junger erfolgreicher Nachwuchswissenschaftler, die in diesen Bereichen arbeiten, trägt zur Schärfung und Weiterentwicklung dieses Forschungsprofils bei. Die Tatsache, dass unsere Forschungsschwerpunkte offenbar sehr attraktiv für junge Wissenschaftler sind, bestätigt uns, auf diesem Weg der Profilbildung weiter zu gehen."
"Es ist mir eine große Freude, als Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung, heute den beiden herausragenden Nachwuchswissenschaftlern Dr. Susanne Karbach und Dr. Alexander Ulges zum Boehringer-Ingelheim-Preis gratulieren zu dürfen. Die Förderung solcher Talente ist zentrales Anliegen der Boehringer Ingelheim Stiftung und grundlegend für Fortschritte in der Medizin", ergänzt Otto Boehringer, Vorsitzender des Vorstands der Boehringer Ingelheim Stiftung.
Den Boehringer-Ingelheim-Preis 2015 überreichte Boehringer gemeinsam mit Dr. Thor Voigt, Medizinischer Direktor Deutschland bei Boehringer Ingelheim, und Förstermann sowie dem Prodekan Studium, Univ.-Prof. Dr. Manfred Beutel. Im Anschluss berichteten die beiden Preisträger von ihrer Forschung und Förstermann hielt einen Vortrag zu den Herausforderungen der forschenden Medizin des 21. Jahrhunderts.
Mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis zeichnet die Boehringer Ingelheim Stiftung Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen und klinischen Medizin aus. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird seit 1969 jährlich vergeben.
Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Susanne Karbach
Karbach vom Zentrum für Kardiologie erforscht die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten, die unter Psoriasis leiden, einer der häufigsten chronischen Hautkrankheiten, die auch als Schuppenflechte bekannt ist. Bereits bekannt war, dass bei der Entstehung der Psoriasis der körpereigene Botenstoff und Entzündungsmediator Interleukin-17A eine zentrale Rolle spielt. Gemeinsam mit Kollegen erforschte Karbach, dass dieser Botenstoff eine Signalkaskade auslöst, die auch für das vermehrte Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Psoriasis-Patienten verantwortlich sein könnte.
Die Schuppenflechte ist eine immunologisch-entzündliche Hautkrankheit. Sie beruht auf einer Autoimmunreaktion. Dabei richtet das Immunsystem seine Abwehrreaktion gegen Zellen des eigenen Körpers. Patienten mit schwerer Psoriasis sterben häufiger an Herzinfarkt als Menschen, die nicht an Psoriasis leiden. Mittlerweile wird die Psoriasis als eigenständiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen diskutiert. Die genauen Gründe hierfür sind weitestgehend unerforscht.
In ihrer aktuellen Forschungsarbeit untersuchte Karbach in einem Tiermodell, in dem Interleukin-17A in der Haut vermehrt gebildet wird, den Zusammenhang zwischen Schuppenflechte und Herzerkrankungen. Bei diesen Untersuchungen stellte das Forscherteam krankhafte entzündliche Veränderungen der Blutgefäße, die mit einer eingeschränkten Gefäß-Funktionsfähigkeit einhergehen, sowie einen erhöhten Blutdruck fest – ähnlich wie bei Menschen mit schwerer Psoriasis. Es zeigte sich ein erhöhter Spiegel an freien Radikalen – die die Gefäße schädigen – im Blut und in der Wand der Hauptschlagader. Begleitend wandern vermehrt bestimmte Zellen des Immunsystems in das Gewebe der Aorta ein. Die große Zahl dieser sogenannten neutrophilen Granulozyten, die den Körper eigentlich vor Eindringlingen schützen sollen, verursachen zusammen mit anderen Entzündungszellen die typische Entzündung der Haut und eben auch der Blutgefäße. Sie sind Zeichen einer außer Kontrolle geratenen Immunabwehr, die den eigenen Körper attackiert. Die krankhafte Veränderung der Blutgefäße wiederum ist ein klassischer Vorbote des Bluthochdrucks, was längerfristig zur Entstehung einer koronaren Herzerkrankung oder gar eines Herzinfarkts führen kann.
"Zusammenfassend könnte das durch Interleukin-17A vermittelte vermehrte Auftreten bestimmter Immunzellen und freier Radikale in der Aorta ein möglicher Mechanismus für die Schädigung der Blutgefäße bei Psoriasis sein", fasst Karbach zusammen. "Dafür spricht insbesondere auch, dass die Blockade des über Interleukin-17A vermittelten und angestoßenen Signalwegs die Hauterkrankung und zum Teil auch die Herz-Kreislauf-Problematik im Tiermodell verbessern oder zumindest abschwächen konnte."
Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Alexander Ulges
Ulges vom Institut für Immunologie erforscht einen bestimmten Zelltyp des Immunsystems, die sogenannten regulatorischen T-Zellen. Gemeinsam mit Kollegen des Forschungszentrums Immuntherapie (FZI) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz entdeckte er eine bislang unbekannte Untergruppe dieser regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen). Die Forschungsergebnisse zeigten, dass dieser Zelltyp sich in einem spezifischen Tiermodell derart manipulieren lässt, dass er entgegen der Erwartung allergisches Asthma eher begünstigt statt verhindert. Nach Auffassung der Wissenschaftler legt das den Schluss nahe, dass bestimmte Treg-Zellen in der Lunge ein einfach zu bestimmender Marker für allergisches Asthma sind.
Das menschliche Immunsystem erkennt potentiell gesundheitsschädigende Eindringlinge, neutralisiert diese zielgerichtet und entsorgt sie. Wenn gesunde Menschen mit Allergie auslösenden Stoffen in Kontakt kommen, aktiviert das Immunsystem sogenannte regulatorische T-Zellen (Treg-Zellen). Diese Treg-Zellen sind in der Lage, aktiv die Entstehung einer Allergie zu verhindern. Manchmal werden diese regulatorischen Mechanismen allerdings durchbrochen, sodass Immunzellen harmlose Substanzen attackieren, die aus der Umwelt in den Körper gelangen. Es kommt zu allergischen Überreaktionen, die sich zum Beispiel im allergischen Asthma äußern.
Mit der Entdeckung der bislang unbekannten Untergruppe der Treg-Zellen im Tiermodell ist den Forschern ein wichtiger Schritt bei der Aufklärung dieser Mechanismen gelungen. Konkret entdeckte das Team um Ulges, dass die von ihnen entdeckten Treg-Zellen das sogenannte Immunglobulin-like transcript 3 (ILT3) bilden; ein Protein, das sich auf der Zelloberfläche befindet. Es gelang ihnen, die Bildung von ILT3 so zu verändern, dass sich die Hauptfunktion der Treg-Zellen – die Verhinderung überschießender Immunreaktionen – vorübergehend abschalten lässt. Dieser Befund ist von zentraler Bedeutung. Denn erstmalig konnte das Forscherteam eine Gruppe regulatorischer T-Zellen beschreiben, bei der sie die Fähigkeit beeinflussen können, immunologische Reaktionen zu unterdrücken. Darüber hinaus entdeckte es, dass die Bildung von ILT3 in Treg-Zellen wiederum durch ein bestimmtes Enzym, die Proteinkinase CK2, geregelt wird.
Zusammenfassend haben die Wissenschaftler so eine bisher unentdeckte Gruppe von Treg-Zellen identifiziert und ein neues Programm auf molekularer Ebene entschlüsselt, welches – durch CK2 gesteuert – Immunantworten in der Lunge reguliert. "Wir wissen jetzt einerseits wie die neu entdeckte Untergruppe von Treg-Zellen gebildet wird und andererseits wie wir sie verändern könnten, nämlich über CK2 als neues Zielmolekül künftiger Therapieansätze", sagt Ulges. "Auch helfen uns diese Erkenntnisse besser zu verstehen, wie allergisches Asthma entsteht und wie es sich möglicherweise früher diagnostizieren lässt."