Wissenschaftler finden unerwartete Funktionen des Gerinnungssystems bei neu entdecktem Mechanismus

Wie Gerinnungsfaktoren und Darmbakterien die Bildung von Blutgefäßen fördern

12.03.2012

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz hat einen neuartigen Mechanismus entdeckt, der zur Bildung von Blutgefäßen im Darm beiträgt. Dieser Mechanismus könnte sowohl bei der Absorption von Nährstoffen als auch bei verschiedenen Darmerkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Die internationale Team unter Leitung von Prof. Fredrik Bäckhed von der Universität Göteborg hat seine Forschungsergebnisse jetzt im international bedeutenden Magazin Nature veröffentlicht; Erstautor ist Dr. Christoph Reinhardt vom CTH der Universitätsmedizin Mainz. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten in Zukunft zur Entwicklung neuer Behandlungsstrategien bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch Fettleibigkeit beitragen.

Bisher war nicht bekannt, wie genau die Darmflora – also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Darm besiedeln und die nach der Geburt gebildet wird – die Bildung neuer Blutgefäße in den Darmzotten fördert. Die neue Studie zeigt erstmals, dass dies über die Aktivierung des Gerinnungssystems geschieht. Im Detail haben die Forscher mehrere Faktoren identifiziert, die an diesem Mechanismus beteiligt sind. Einer von ihnen ist der sogenannte Tissue Factor (oder auch Gewebethromboplastin): Dieser ist das Starterprotein der plasmatischen Blutgerinnung und wird auch von den Epithelzellen im Darm gebildet.

Das Forscherteam aus Deutschland, Schweden, Dänemark und den USA hat ebenfalls herausgefunden, dass die Darmbakterien nicht nur die Gefäßbildung, sondern auch die Struktur der Darmzotten über gerinnungsfaktorabhängige Signalmechanismen verändern: Die Darmzotten vergrößern die Oberfläche der Darmschleimhaut und maximieren die Absorption von Nährstoffen. In Gegenwart von Mikroorganismen werden die Zotten kürzer und breiter, was bedeutet, dass neue Blutgefäße gebildet werden müssen.

"Unsere Ergebnisse sind für das Verständnis der Wechselwirkung von Bakterien mit unserem Organismus sehr wichtig und ein Resultat der medizinischen Grundlagenforschung", erläutert Dr. Christoph Reinhardt, Erstautor der Publikation, der zurzeit eine Nachwuchsgruppe am CTH aufbaut. "Neue Funktionen des Blutgerinnungssystems zu erforschen ist dabei ein besonderer Schwerpunkt des CTH in der Grundlagenforschung. Es wird künftig unsere Aufgabe sein, dieses Wissen in die klinische Forschung zu überführen und hieraus neue therapeutische Strategien abzuleiten. So werde ich mit meinem Team die Wechselwirkung der Darmflora mit dem Gerinnungssystem im Rahmen eines EU-geförderten Projektes am Centrum für Thrombose und Hämostase weiter erforschen."