Chance für Patienten mit Morbus Pompe

Neu zugelassenes Medikament im Einsatz

09.05.2006

Bei Patienten mit Morbus Pompe, gekennzeichnet durch Muskel-, Atem- und Herzschwäche, bei Erwachsenen auch durch einen unsicheren und schwankenden Gang sowie Wirbelsäulenprobleme, konnte der Verlauf der Krankheit bisher nur gelindert werden. Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) behandelt nun als erstes deutsches Klinikum Morbus-Pompe-Patienten mit einem neu zugelassenen Medikament. Dieses Medikament setzt genau dort an, wo sich die Krankheit manifestiert – in den Muskelzellen.

Morbus Pompe ist eine seltene fortschreitende Erbkrankheit und gehört zu den seltenen Stoffwechselerkrankungen, den sogenannten lysosomalen Speicherkrankheiten. Die Krankheit tritt bei etwa einem von 40.000 Neugeborenen auf und so gibt es in Deutschland rund 200 Morbus-Pompe-Patienten. Fehlerhafte Gene verursachen dabei eine fortschreitende Muskelschwäche, die auch häufig zu Atemproblemen führt. Ursache der Erkrankung ist ein Enzymmangel oder gar das völlige Fehlen eines bestimmten Enzyms. Dieses Enzym wird vom Körper benötigt, um eine in den Muskelzellen eingelagerte Zuckerform abzubauen und trägt so zu einer reibungslosen Funktion der Muskeln bei. Die Symptome der angeborenen Krankheit können schon bei der Geburt, aber auch erst später, im Erwachsenenalter, auftreten. Bei Babys gehören Schlaffheit, Atem-, Trink- und Schluckschwächen zu den Symptomen, bei Erwachsenen treten neben Muskel-, Atem- und Herzschwäche ein unsicherer schwankender Gang sowie Wirbelsäulenprobleme auf. Aufgrund der nach und nach auftretenden Symptome dauert es oft lange, bis die Krankheit diagnostiziert wird. Eine Heilung der Krankheit war bisher nicht möglich, es standen lediglich Therapien zur Verfügung, um den Verlauf der Erkrankung zu lindern.

Seit kurzer Zeit gibt es nun ein neues Medikament, das dort ansetzt, wo die Krankheit ihre Ursache hat: in den Muskeln. Der Wirkstoff des neuen Medikaments ist eine Kopie des menschlichen Enzyms, das Morbus-Pompe-Patienten teilweise oder ganz fehlt. Es handelt sich also um eine Enzymersatztherapie, bei der Patienten mit dem fehlenden Enzym versorgt werden. Dieses Ersatzenzym unterstützt dann – wie beim normalen Prozess auch – den Abbau der besonderen Zuckerform in den Muskelzellen. Nach Ergebnissen klinischer Studien, die vor der Einführung eines neuen Medikamentes durchgeführt werden müssen, verbessert das Medikament die Herz-, Bewegungs- und Atemfunktion und erhöht die Überlebensrate der Patienten. Hergestellt wird das Enzym durch eine biotechnologische Methode, bei der bestimmte tierische Zellen dazu gebracht werden, das Enzym in verwertbarer Menge zu produzieren. Auf ähnliche Art und Weise werden bereits seit längerer Zeit Gerinnungsfaktoren oder Insulin produziert.

"Bei vier sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen wird das Prinzip der Enzymersatztherapie bisher erfolgreich angewandt – Morbus Pompe ist nun die fünfte Erkrankung, bei der die Enzymersatztherapie zum Einsatz kommt", erklärt Dr. Eugen Mengel, der an der Villa Metabolica Patienten mit lysosomalen Speicherkrankheiten betreut. Die Villa Metabolica ist deutschlandweit das führende Zentrum auf diesem Gebiet, sie gehört zum Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz und ist ein Zentrum für klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen. "In Mainz führen wir als erste das neue Medikament ein, weil wir auch an den internationalen Zulassungsstudien beteiligt waren. Von der neuen Therapie erhoffen wir uns, dass die fortschreitende Muskel-, Atem- und Herzschwäche bei den Patienten mit Morbus Pompe behandelt werden kann. Damit ist diese Krankheit auch die erste angeborene Muskelerkrankung, die therapiert werden kann", erläutert Mengel. "Derzeit betreuen wir bereits drei Morbus-Pompe-Patienten."