Baukasten der Magnon-Logik erweitert: Magnon-Ströme über Spin-Ventil-Struktur steuerbar

Magnon-Spintronik nutzt Magnonen anstelle der elektrischen Ladung als grundlegende Informationsträger für Zukunftstechnologie

14.03.2018

Das aufstrebende Forschungsfeld der Magnon-Spintronik untersucht die Möglichkeit, Informationen mithilfe von Magnon-Spinströmen zu übertragen und zu verarbeiten. Im Gegensatz zu elektrischen Strömen, auf denen die heutige, etablierte Informationstechnologie basiert, übertragen Magnon-Spinströme keine elektrische Ladung sondern ein magnetisches Moment. Dies geschieht durch magnetische Wellen, die Magnonen, die sich analog zu Schallwellen durch magnetische Materialien ausbreiten. Ein wesentlicher Baustein der Magnon-Spintronik ist die Magnon-Logik, die es zum Beispiel durch die Überlagerung von Spinströmen erlaubt, logische Operationen und damit schließlich die Informationsverarbeitung vorzunehmen. Einem internationalen Team von Physikern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Universität Konstanz sowie der Tohoku Universität in Sendai, Japan, ist es nun gelungen, dem Baukasten der Magnon-Logik ein weiteres Bauteil hinzuzufügen. Die Wissenschaftler konnten eine Spin-Ventil-Struktur einsetzen und über die magnetische Konfiguration des Ventils die Detektionseffizienz von Magnon-Strömen steuern. Dies ermöglicht prinzipiell die Weiterleitung oder Unterdrückung der ankommenden Information. Die Forschungsarbeit wurde im Online-Fachjournal Nature Communications publiziert. Erstautor ist ein Stipendiat der Exzellenz-Graduiertenschule "Materials Science in Mainz" (MAINZ).

Das wesentliche Ziel der Magnon-Spintronik ist die Ablösung der elektrischen Ladung durch Magnonen als dem grundlegenden Informationsträger. Magnonen bieten unter anderem die Möglichkeit des Wave-based Computing, das mehr Optionen zur logischen Datenverarbeitung im Vergleich zu konventioneller Elektronik zur Verfügung stellt. Außerdem bewegen sich Magnonen in magnetischen Isolatoren mit vergleichsweise geringen Verlusten fort, was die Einrichtung einer energieeffizienteren Datenverarbeitung in Aussicht stellt.

Die jetzt untersuchte Spin-Ventil-Struktur ist ein Dreilagensystem, das aus dem elektrisch isolierenden Ferromagneten Yttrium-Eisen-Granat (YIG), dem isolierenden Antiferromagneten Cobalt(II)-Oxid (CoO) und schließlich dem metallischen Ferromagneten Cobalt (Co) besteht: YIG/CoO/Co. Durch das oszillierende Magnetfeld von eingestrahlten Mikrowellen wird gezielt eine Rotation der YIG-Magnetisierung angeregt, die einen Magnon-Spinstrom in das CoO aussendet. In dem metallischen Co-Film wird der Magnon-Spinstrom schließlich durch den sogenannten inversen Spin-Hall-Effekt in einen elektrischen Ladungsstrom konvertiert und somit detektiert.

Magnon-Strom wird via Ventil als elektrisches Signal weitergeleitet oder unterdrückt

In dem Experiment konnte erfolgreich gezeigt werden, dass die Stärke des detektierten Signals stark von der magnetischen Konfiguration des Spin-Ventils abhängt. Ist die Magnetisierung von YIG und Co antiparallel angeordnet, ist das Signal etwa 120 Prozent größer als im parallelen Zustand. Das mehrfache Umschalten der Co-Magnetisierung zeigte zudem, dass der Effekt stabil und somit eine Langzeitoperation möglich ist. "Alles in allem kann mithilfe dieses Effekts in gewisser Weise ein Schalter eingerichtet werden, der den Magnon-Strom als elektrisches Signal weiterleitet oder unterdrückt", so Joel Cramer, Erstautor der Veröffentlichung und Stipendiat der Graduiertenschule MAINZ. "Das Ergebnis unseres Experiments ist ein Effekt, der in zukünftigen, potenziellen Magnon-Logik-Operationen Anwendung finden könnte und somit einen wesentlichen Beitrag zur Magnon-Spintronik leistet", fügt Cramer hinzu.

Zusammenarbeit mit international führenden Gruppen auf dem Gebiet der Spintronik

"Die Zusammenarbeit mit international führenden Gruppen auf dem Gebiet des Spintransports in Isolatoren hat insbesondere im Sonderforschungsbereich Spin+X eine lange Tradition. Mit Unterstützung des DAAD und der Graduiertenschule MAINZ konnte die Zusammenarbeit auch auf langfristige Aufenthalte von Gaststudierenden aus Japan bei uns und auf Aufenthalte von unseren Studierenden in Japan ausgedehnt werden", betont Prof. Dr. Mathias Kläui, Direktor der Exzellenz-Graduiertenschule MAINZ. "Die jetzige Arbeit entstand hauptsächlich während eines Gastaufenthalts von zwei Studenten und mir selbst in Japan. Es hat mir viel Spaß gemacht, näher am Experiment zu sein und selber bei den Messungen mitzuwirken. Daher möchte ich der Gruppe von Prof. Saitoh und dem Institut for Materials Research an der Tohoku Universität für die Gastfreundschaft und die exzellente Zusammenarbeit danken", so Kläui.

Die Theorie zu der Arbeit wurde gemeinsam von Gruppen in Mainz und Konstanz erarbeitet. Insbesondere mit der Theorie-Gruppe von Prof. Dr. Ulrich Nowak in Konstanz besteht eine lange fruchtbare Zusammenarbeit. "Nachdem kürzlich unser dritter gemeinsamer Projektantrag positiv evaluiert worden ist, freue ich mich auch für die Zukunft auf eine intensive gemeinsame Arbeit", ergänzt Kläui.

Die Graduiertenschule MAINZ wurde in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Jahr 2007 bewilligt und erhielt in der zweiten Runde 2012 eine Verlängerung. Sie besteht aus Arbeitsgruppen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Technischen Universität Kaiserslautern und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz. Einer der Forschungsschwerpunkte ist die Spintronik, wobei die Zusammenarbeit mit führenden internationalen Partnern eine wichtige Rolle spielt.

Fragen des Spintransports und der Erzeugung und Detektion von Spinströmen werden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs TRR173 untersucht. Der SFB TRR173 Spin+X wird seit 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.