Helmholtz-Institut Mainz nimmt Arbeit auf

Spannende Forschungen zur Antimaterie, superschweren Elementen und neuen Beschleunigertechniken

01.07.2009

Das neue Helmholtz-Institut Mainz (HIM) nimmt seine Arbeit auf. In der Einrichtung kooperieren künftig das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in der Erforschung von Struktur, Symmetrie und Stabilität von Materie und Antimaterie. Nach der offiziellen Gründung am 9. Juni 2009 fällt jetzt der Startschuss für die Arbeitsaufnahme des neuen Instituts, das zunächst etwa 20 Wissenschaftler von GSI und JGU beschäftigt. In Vollbesetzung werden später am HIM rund 60 Wissenschaftler an grundlegenden Fragen der Physik und Chemie arbeiten. Hierzu wird mittelfristig ein Neubau in unmittelbarer Nähe der Institute für Kernphysik, Physik und Kernchemie erstellt.

"Es ist ein Pilotprojekt und wir freuen uns über die Chance, in diesem neuen Verbund die bewährte und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen GSI und Instituten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz noch weiter auszubauen und auch institutionell zusammenzuführen", betont Prof. Dr. Frank Maas, geschäftsführender Direktor des HIM. Das GSI Helmholtzzentrum und die Institute für Kernphysik, Physik und Kernchemie der JGU arbeiten schon seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Gebieten zusammen. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte des neuen Helmholtz-Instituts Mainz ergeben sich aus dieser langjährigen Kooperation und werden mit dem Bau der neuen Beschleunigeranlage FAIR am GSI Helmholtzzentrum in Darmstadt um neue Themen bereichert. Durch die Einrichtung eines dauerhaften Instituts eröffnet sich erstmalig die Möglichkeit, gemeinsam langfristige Projekte zu planen und zu realisieren.

FAIR, die Abkürzung für "Facility for Antiproton and Ion Research", ist weltweit eines der größten Forschungsvorhaben in der physikalischen Grundlagenforschung. Die Beschleunigeranlage wird Antiprotonen- und Ionenstrahlen mit bisher unerreichter Intensität und Qualität liefern und damit eine nie dagewesene Vielfalt an Experimenten ermöglichen, von denen sich die Forscher neue Einblicke in den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute versprechen. "Wir werden uns zunächst beim Bau von FAIR an den Planungen für Detektoren und Beschleuniger beteiligen und später Experimente durchführen und diese in allen Phasen theoretisch begleiten", erklärt Maas. Ziel ist es, die Reaktionen von Antimaterie besser zu verstehen und damit die Struktur der uns umgebenden Materie zu erforschen. Die Suche und die Vermessung von sogenannten Gluebällen, einer neuen, exotischen Form der Materie, die aus reiner Energie besteht, ist ein weiteres Ziel. Schließlich denken die Forscher auch schon an eine Zukunft im Anschluss an die Nutzung von FAIR ab etwa 2020. Machbarkeitsstudien zum Bau eines neuen Beschleunigers, des Elektron-Nukleon-Kolliders, sind Teilprojekte des Instituts und verbinden die Mainzer Expertise auf dem Gebiet der Elektronenbeschleuniger – auf dem Gutenberg-Campus wird der MAMI-Beschleuniger mit internationaler Beteiligung betrieben – mit der großen Erfahrung des GSI Helmholtzzentrums in der Arbeit mit Ionenstrahlen.

Ein anderer Schwerpunkt ist die Erzeugung und die Untersuchung von superschweren Elementen jenseits des existierenden Periodensystems. Hiermit wird eine lange Tradition des GSI Helmholtzzentrums fortgeführt, das dieses Gebiet führend vertritt. Seitens der JGU ist dabei das Institut für Kernchemie beteiligt, das auch den Mainzer Forschungsreaktor Triga betreibt. Diese international sehr umkämpfte Führungsrolle zu halten, erfordert Entwicklungsarbeiten in der Beschleunigerphysik für leichte Ionenstrahlen bei geringer Energie, aber höchster Intensität. Um die notwendigen beschleunigertechnischen Entwicklungen für den Kollider und den Ionenbeschleuniger leisten zu können, wird unter anderem ein neuer Lehrstuhl für Beschleunigerphysik geschaffen.

Ein anderes Tätigkeitsfeld umfasst die Formierung und hochpräzise Untersuchung von Antiwasserstoff. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon Erkenntnisse über neue Naturkräfte und die Struktur von Raum und Zeit. Die Beantwortung der einfachen Frage "Fällt Antimaterie im Schwerefeld der Erde auf dieselbe Weise wie Materie?" hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis der Grundkräfte der Natur und wird mit den intensiven, niederenergetischen Antiprotonen an FAIR untersucht werden können.

Die umschließende Klammer von HIM wird eine Theorieabteilung sein, die die Verbindung zwischen den neuesten Entwicklungen im Bereich der theoretischen Teilchen- und Kernphysik und der Planung der Experimente herstellt. Die Anschaffung eines lokalen Rechnerclusters für die detaillierte Planung der Experimente und die Durchführung komplexer Berechnungen auf dem Gebiet der Gittereichtheorie sind Bestandteile des neuen Instituts.

"Auf all diesen Bereichen sind wir mit unserer Forschung bereits sehr aktiv und brechen mit der Beschleunigeranlage FAIR zu neuen Ufern auf, was Präzision und Intensität der Teilchenstrahlen betrifft", so Maas. Das Helmholtz-Institut Mainz wird im Rahmen seines Forschungskonzepts auch Programme auflegen, um weltweit Gastwissenschaftler zu Forschungsaufenthalten nach Mainz einzuladen. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ein erklärtes Ziel des Instituts. Jungen exzellenten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern wird im Rahmen von Junior-Forschergruppen die Möglichkeit eröffnet, sich an führender Stelle an den Arbeiten zu beteiligen. Für Doktoranden sind spezielle Ausbildungsprogramme geplant.

Die von der Helmholtz-Gemeinschaft veranlasste wissenschaftliche Begutachtung des gemeinsamen Antrags von GSI und JGU auf Gründung eines "Helmholtz-Instituts Mainz" hat die herausragende wissenschaftliche Qualität des Programms und der beteiligten Gruppen festgestellt. Sie hat bestätigt, dass das geplante Institut wichtige Beiträge sowohl zu den Zielen des GSI Helmholtzzentrums wie auch der Johannes Gutenberg-Universität Mainz liefert und die Kooperation von Universität und GSI wesentlich stärkt.

Prof. Dr. Frank Maas wird zunächst für zwei Jahre das neue Helmholtz-Institut in der Aufbauphase als geschäftsführender Direktor leiten. Er ist seit Oktober 2007 Professor für experimentelle Physik am Institut für Kernphysik, derzeit an das GSI Helmholtzzentrum beurlaubt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Untersuchung der Struktur von Protonen mit Antiprotonen und mit paritätsverletzender Elektronstreuung.