Verbundprojekt Wildpflanzenschutz Deutschland setzt Jungpflanzen und Saatgut einer Pflanzenart in besonderer Verantwortung Deutschlands am Appelbach aus

Anzucht der Behaarten Karde im Botanischen Garten Mainz im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt

11.10.2022

PRESSEMITTEILUNG DES BOTANISCHEN GARTENS DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ

Die Biodiversitätskrise macht auch vor heimischen Pflanzenarten nicht halt. So stellt uns der Verlust von Lebensräumen und der Artenvielfalt auch in unserer Region vor große Herausforderungen. Am Appelbach bei Pfaffen-Schwabenheim arbeiten Naturschutz und Wissenschaft zusammen, um den Bachabschnitt um eine Art reicher zu machen. Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und die Interessengemeinschaft ProNatur Pfaffen-Schwabenheim e.V. haben hier gemeinsam Jungpflanzen und Saatgut der Behaarten Karde ausgebracht, einer Pflanzenart, für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt. Zahlreiche Helferinnen und Helfer, darunter der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach, Marc Ullrich, waren bei der Ansiedlung der Verantwortungsart Behaarte Karde behilflich, indem sie mehrere tausend Samen aussäten. Diese Samen wurden kürzlich von rund 100 Pflanzen aus einer Erhaltungskultur im Botanischen Garten auf dem Gutenberg-Campus gesammelt. Diese Samen und ausgepflanzten, derzeit noch nicht blühenden Rosetten stammen von einer stabilen Population am Appelbach, etwa vier Kilometer vom Naturerlebnispfad entfernt.

Aktuell zeichnet sich ein erschreckender Verlust der Vielfalt der heimischen Wildpflanzen ab: Mehr als jede vierte Pflanzenart wurde laut der Roten Liste Deutschlands mindestens als gefährdet eingestuft. Lediglich für rund 44 Prozent aller Pflanzen besteht aktuell (noch) keine Gefahr. Für 43 in Deutschland einheimische Arten kam bereits jede Hilfe zu spät – sie sind verschollen oder ausgestorben. Der Behaarten Karde soll es nicht so ergehen.

Die Ansiedlung in Pfaffen-Schwabenheim erfolgt im Zuge der Renaturierung von Teilen des Appelbachs. Die Anzucht der Pflanzen, von denen das Saatgut für die heutige Ansiedlung gewonnen wurde, erfolgte im Botanischen Garten in Mainz im Rahmen des im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderten Projekts Wildpflanzenschutz Deutschland (WIPs-De). Ziel dieser Förderung ist es, den Bestand und die Vielfalt der heimischen Wildpflanzen zu erhalten. Dies soll mithilfe von ausgewählten Verantwortungsarten geschehen, die vor allem oder allein in Deutschland vorkommen. Eine solche Verantwortungsart ist die Behaarte Karde. Eine Aufgabe des Verbundprojekts WIPs-De, in dem neben Mainz noch vier weitere Botanische Gärten deutschlandweit zusammenarbeiten, ist die Ansiedlung von Arten, die auf lokaler, regionaler oder globaler Ebene vom Aussterben bedroht sind oder durch den Verlust von Lebensräumen seltener werden. Dazu könnte zukünftig auch die Behaarte Karde zählen. Sie ist zwar noch relativ häufig in Deutschland vertreten, kommt aber nur zerstreut vor. Sie wächst vor allem an regelmäßig überschwemmten Auwäldern. Hier bilden sich durch Abtrag oder Ablagerung von Schwemmmaterial immer wieder offene, nährstoffreiche Bodenflächen, auf denen sich die Behaarte Karde gut etablieren kann. Allerdings sind Auwälder durch die Flussregulierungen bei uns selten geworden.

Die Interessengemeinschaft ProNatur Pfaffen-Schwabenheim e.V. leistet durch das Renaturierungsprojekt am Appelbach und den Erhalt einzigartiger Biotope einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Auengebiete. Der randlich des Appelbachs gelegene, neu eröffnete Naturerlebnispfad führt Besucherinnen und Besucher in nachhaltige und umweltschonende Naturkonzepte ein und sensibilisiert so für die Notwendigkeit des Schutzes der heimischen Flora und Fauna. Dies ist auch ein wichtiges Anliegen des Projekts WIPs-De.

"Wenn wir dem Klimawandel und dem Schwund der Artenvielfalt wirkungsvoll begegnen wollen, müssen wir auch etwas für den kommunalen Klimaschutz tun, wie hier in Pfaffen-Schwabenheim. Daran führt kein Weg vorbei", plädiert Michael Simon, SPD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Bad Kreuznach. "Wir erhoffen uns, dass sich die Behaarte Karde entlang unseres Naturerlebnispfads etablieren wird und sich so nicht nur Insekten an ihr erfreuen werden", ergänzt Peter Rieth, erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft ProNatur.

Der Erfolg der Wiederansiedlung wird durch regelmäßiges Monitoring überprüft. Die Projektleiterin des WIPs-Projekts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Dr. Ute Becker, räumt der Ansiedlung gute Erfolgsaussichten ein: "Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Ansiedlung einer Pflanzenart in einem Naturraum ist die dauerhafte Pflege beziehungsweise Nutzung des Lebensraums. Dies ist hier durch das Engagement der Interessengemeinschaft Pro Natur auf jeden Fall gegeben."