Von der JGU koordinierte Kollaboration aus experimentellen und theoretischen Physikern legt Basis für Verständnis von Pinningeffekten bei Skyrmionen
07.06.2022
Hurrikans kennen wir vor allem aus dem weltweiten Wettergeschehen – doch treten sie zunehmend auch in Europa auf. Zoomt man mit einem optischen Kerr-Mikroskop in dünne magnetische Materialschichten, so kann man unter passenden Bedingungen Ähnliches erblicken: Eine Art Hurrikan auf der Mikro-Skala, physikalisch gesagt magnetische Wirbelstrukturen namens Skyrmionen. Langfristig könnten sich diese für verschiedene Anwendungen nutzen lassen, etwa zur Datenspeicherung oder -prozessierung. Denn die Wirbel, die nach außen hin wegen ihrer Stabilität wiederum als eigenständige Teilchen betrachtet werden können und daher auch als Quasi-Teilchen bezeichnet werden, bewegen sich nicht nur durch Temperatureffekte eigenständig durch das Material, sondern lassen sich etwa durch einen Stromimpuls anschubsen. Während für einige Anwendungen starke "Schubser" gefragt sind, sollen sich die Skyrmionen bei anderen Anwendungen wie dem nicht-konventionellen Computing vor allem selbstständig thermisch durchs Material bewegen.
Pinning: Eine Art "Hindernislauf" für die Skyrmionen
Die Herausforderung dabei: Die nanometerdünnen Materialschichten, in denen die Skyrmionen auftreten, sind nie perfekt. Die Magnetwirbel können also irgendwo hängen bleiben, man spricht dabei von Pinning. Meistens ist dieser Effekt gar so stark, dass die Teilchen von sich aus kaum noch vorankommen. Das ist vergleichbar mit einem Tisch, dessen Oberfläche voller Kratzer ist: Eine Kugel wird nicht optimal darüber rollen können; ist die Kuhle zu groß, plumpst sie sogar vollständig hinein. Kritisch ist dieses Hängenbleiben der Skyrmionen vor allem für Anwendungen, die auf der thermischen Bewegung der Teilchen beruhen – diese kann durch das Pinning vollständig zum Erliegen kommen.
Basis für das Verständnis des Pinnings
"Mit dem Kerr-Mikroskop habe ich Skyrmionen in der Größe von einem Mikrometer optisch untersucht – genauer gesagt ihr Pinning", sagt Raphael Gruber, Doktorand in der Gruppe von Prof. Dr. Mathias Kläui an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Zwar gab es bereits verschiedene Theorien zu der Frage, wie dieser Effekt zustande kommt. Allerdings haben sich diese meist darauf beschränkt, das Skyrmion als Ganzes zu betrachten – also die Bewegung seiner Mitte anzuschauen. Vereinzelt gab es auch experimentelle Untersuchungen. Diese fokussierten sich auf sehr starkes Pinning, bei dem sich die Skyrmionen gar nicht mehr bewegen. "Meine Untersuchungen basierten auf schwachem Pinning, bei dem sich die Skyrmionen noch etwas bewegen und mitunter weiterhopsen konnten, bis sie erneut irgendwo hängenblieben", konkretisiert Gruber. Die Ergebnisse liefern interessante neue Einsichten. "Die Skyrmionen fallen nicht wie ein Ball in ein Loch", fasst der Experimentalphysiker zusammen, "sondern kleben stattdessen mit ihrem Rand fest." Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal Nature Communications veröffentlicht.
Auch Arbeitsgruppenleiter Mathias Kläui freut sich über die Ergebnisse, die aus einer langjährigen Zusammenarbeit mit Gruppen aus der theoretischen Physik hervorgegangen sind: "Im Rahmen des Schwerpunktprogramms Skyrmionics der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Sonderforschungsbereiches Spin+X untersuchen wir die Dynamik von Spinstrukturen zusammen mit unseren Partnern aus der theoretischen Physik. Es freut mich, dass diese sehr fruchtbare Zusammenarbeit insbesondere auch zwischen Doktoranden der beteiligten Arbeitsgruppen diese spannenden Ergebnisse ermöglicht hat." Dr. Peter Virnau, der eine Arbeitsgruppe in der theoretischen Physik in Mainz leitet, fügt hinzu: "Für mich sind Skyrmionen ein recht neues Thema, bei dem ich mit Förderung des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen des Profilbereiches 'TopDyn – Dynamics and Topology' einsteigen konnte. Ich freue mich, dass unsere numerischen Methoden dazu beitragen konnten, die experimentellen Daten besser zu verstehen."