48 neue Gen-Varianten als Risikofaktoren für Multiple Sklerose entdeckt

Internationales Forscherkonsortium veröffentlicht Ergebnisse der bislang weltweit größten MS-Studie im Wissenschaftsjournal Nature Genetics

30.09.2013

Dass es ein genetisch bedingtes Erkrankungsrisiko für Multiple Sklerose (MS) gibt, wurde bereits in verschiedenen Studien nachgewiesen. 48 neue genetische Varianten, die das Risiko erhöhen, an MS zu erkranken, haben Wissenschaftler aus Mainz um Prof. Dr. Frauke Zipp jetzt gemeinsam mit Forschern des Internationalen Multiple Sklerose Genetikkonsortiums (IMSGC) identifiziert. Dieses Forschungsresultat bedeutet nahezu eine Verdopplung der Anzahl der bisher bekannten genetischen Risikofaktoren: Bezogen auf insgesamt 110 Genvarianten steht nunmehr fest, dass sie sicher im Zusammenhang mit einer MS-Erkrankung stehen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Bei der Studie handelt es sich um die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt weltweit größte Forschungsarbeit bezogen auf MS. Die Erkenntnis stützt sich auf die maßgeschneiderte Forschungstechnologie, die unter dem Namen ImmunoChip bekannt ist. ImmunoChip bezeichnet ein Verfahren der Hochdurchsatzgenotypisierung, das entwickelt wurde, um Genvarianten zu untersuchen, die mit mindestens einer Autoimmunerkrankung in Verbindung stehen. Die beteiligten Wissenschaftler nutzten diese Technologie, um die DNA von 29.300 Personen mit MS und 50.794 Menschen ohne dieses Krankheitsbild zu vergleichen. In Deutschland waren insbesondere Prof. Dr. Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, und Herr Prof. Bernhard Hemmer von der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München mit ihren Gruppen beteiligt. Beide werden für diese Arbeiten durch das Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) unterstützt, in dem sie kooperieren.

Im Rahmen der Studie ließen sich nicht nur 48 neue Genvarianten identifizieren, die das Risiko beeinflussen, an Multipler Sklerose zu erkranken. Es ließ sich auch bei einer ähnlichen Anzahl bereits zuvor ermittelter Genvarianten bestätigen, dass sie das Risiko einer MS-Erkrankung erhöhen. Auf Basis dieser Forschungserkenntnis steht somit für insgesamt 110 Genvarianten fest, dass es einen Zusammenhang zu einer MS-Erkrankung gibt.

Konkret liefert die neue Studie wichtige Einblicke in die Entstehung der zu Behinderung führenden neurologischen Multiplen Sklerose. Darüber hinaus ist diese Entdeckung ein Beleg für die zentrale Rolle des Immunsystems in der MS. Auf Basis der Studie ist zudem erkennbar, dass dieselben Gene, die für MS verantwortlich sind, auch bei anderen Autoimmunerkrankungen einen maßgeblichen Einfluss haben.

"Dieses Forschungsresultat versetzt uns in die Lage, auf zellulärer und molekularer Ebene die Prozesse nachzuvollziehen, die für Multiple Sklerose verantwortlich sind. Es ist ein ganz entscheidender Schritt zum Verständnis der genetischen Grundlagen von MS. Auf der Basis der neuen Erkenntnisse lassen sich möglicherweise neue Strategien zur Vorhersage von Krankheitsverläufen und zum Ansprechen von medikamentösen Behandlungen entwickeln", erklärt Prof. Dr. Frauke Zipp. "Damit haben wir jetzt bereits 28 Prozent des genetisch-bedingten Erkrankungsrisikos für die Multiple Sklerose identifiziert."

Multiple Sklerose ist in der westlichen Welt die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Allein in Deutschland sind mehr als 120.000 Menschen davon betroffen. Weltweit leiden 2.500.000 Personen an MS. Die Krankheit resultiert aus einer partikulären Entzündung und Schädigung des Zentralen Nervensystems, woraus sich Einschränkungen der Mobilität, des Gleichgewichtsinns, des Körperempfindens und der Wahrnehmung ergeben können. Neurologische Symptome treten in einem frühen Stadium in der Regel in Schüben auf. Im weiteren Krankheitsverlauf kann es zu anhaltenden Krankheitszeichen kommen. Bei der Mehrzahl der Betroffenen stellt sich langfristig eine dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein. Das Risiko an MS zu erkranken, ist bei Menschen höher, in deren Familie das Krankheitsbild bereits vorkommt. Studien mit Zwillingen und adoptierten Personen konnten zeigen, dass sich ein gesteigertes Erkrankungsrisiko in erster Linie auf genetische Risikofaktoren zurückführen lässt.