Wissenschafts- und Bildungsministerin verspricht weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen
15.07.2011
Beruflich Qualifizierte, die ohne Fach- beziehungsweise Hochschulreife in Rheinland-Pfalz studieren, sind gut aufgestellt. Das hat eine Befragung unter allen beruflich qualifizierten Studierenden ergeben, die das Zentrum für Qualitätssicherung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur erstellt hat. "Es hat sich gezeigt, dass die beruflich Qualifizierten hoch motiviert sind, sich sehr gut selbst organisieren und sich teamfähig zeigen. Sie haben klare Ziele für ihr Studium vor Augen und schätzen ihre Studienleistung nicht schlechter ein, als die ihrer Kommilitonen", fasst Wissenschaftsministerin Doris Ahnen die Ergebnisse der Vollerhebung an staatlichen rheinland-pfälzischen Hochschulen zusammen, an denen rund 817 beruflich Qualifizierte eingeschrieben sind. Die erfreulich hohe Rücklaufquote von 52 Prozent helfe dabei, ein deutlicheres Bild der Situation der beruflich Qualifizierten zu zeichnen und die Studienbedingungen für diese Gruppe weiter zu optimieren.
"Es ist erklärtes Ziel der Landesregierung, die Hochschulen für beruflich Qualifizierte weiter zu öffnen und die Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung voranzutreiben. Wir brauchen mehr Menschen mit einer akademischen Ausbildung, insbesondere um den steigenden Fachkräftebedarf mit hochqualifizierten Arbeitskräften abzudecken", so Ahnen weiter. Rheinland-Pfalz nehme diesbezüglich in Deutschland eine Vorreiterrolle ein, der immer mehr Länder folgen werden, so ihre Einschätzung.
Hintergrund der Studie ist ein Modellversuch, in dem derzeit untersucht wird, inwieweit bzw. unter welchen Bedingungen auf die bislang geforderte 2-jährige Berufserfahrung verzichtet werden kann und inwieweit die Hochschulen adäquat auf die Zielgruppe der beruflich Qualifizierten eingestellt sind. Das Umfrageergebnis ist aufgrund des hohen Rücklaufs repräsentativ und spiegelt im Hinblick auf die Geschlechterverteilung (52 Prozent Frauen, 48 Prozent Männer), die Hochschultypen und das Fächerspektrum die statistischen Zahlen für das Wintersemester 2010/2011 sehr gut wider. 67 Prozent der Befragten verfügen als höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss über den Real- oder Hauptschulabschluss an, 48 Prozent sind Meister oder haben einen vergleichbaren beruflichen Fortbildungsabschluss. Der überwiegende Teil der Befragten kommt aus kaufmännischen Berufen (23,3 Prozent), Gesundheitsberufen (21 Prozent), Erziehungsberufen (19 Prozent) oder Berufen im Handwerk und der Fertigung (17,6 Prozent).
"Die Befragten sehen ihre Studienleistungen ganz überwiegend positiv und verfügen über eine hohe intrinsische Motivation", erläutert Dr. Uwe Schmidt, Leiter des verantwortlichen Zentrums für Qualitätssicherung und -entwicklung (ZQ) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Ergebnisse der Studie. 74,6 Prozent sind sich (sehr) sicher, das Studium erfolgreich zu beenden, nur 2,2 Prozent haben Zweifel daran. 21,8 Prozent betrachten ihre Studienleistungen auch als überdurchschnittlich. Die Gründe für die Studienaufnahme liegen in dem Wunsch, die fachlichen Kenntnisse zu vertiefen (76,3 Prozent), die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern (71,3 Prozent), bessere Verdienstmöglichkeiten zu haben (63,9 Prozent), persönliche Begabungen weiterzuentwickeln (54,9 Prozent), in einem angesehenen Beruf tätig zu sein (50,1 Prozent) oder darin, im Beruf selbstständig arbeiten zu können. Wer sich als beruflich Qualifizierter für ein Studium entscheidet, möchte dies zügig abschließen (72,5 Prozent), dabei spezielles Fachwissen erwerben (84,6 Prozent) und eine möglichst gute Note erreichen (72,5 Prozent). Die eigene Berufsausbildung und -tätigkeit bewerten die Befragten überwiegend positiv. Viele (68,8 Prozent) halten ihre Berufstätigkeit für sehr hilfreich im Hinblick auf ihr Studium. 71,3 Prozent Prozent gaben an, dass es eine gute Entscheidung war, zunächst eine Berufsausbildung zu machen.
"Dies ist ein erfreuliches Ergebnis, zeigt es doch, dass die berufliche Ausbildung nach wie vor attraktiv ist und die spätere Entscheidung für ein Studium nicht eine Abkehr vom bisherigen Lebensweg bedeutet, sondern von dem Wunsch getragen ist, sich beruflich weiterzuentwickeln. Es gehört eine ordentliche Portion Motivation und Zielstrebigkeit dazu, aus seinem Beruf auszusteigen und sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren oder neben seinem Beruf zu studieren. Das bringen die beruflich Qualifizierten ganz offensichtlich in hohem Maße mit", so Ministerin Doris Ahnen.
Beruflich qualifizierte Studierende gaben sehr häufig an, dass ihre vor dem Studium erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten in Bezug auf Organisation und Planung, selbstständiges Arbeiten, Belastungsfähigkeit und Teamvermögen höher sind als im Studium gefordert. Nachholbedarf gibt es nach eigenen Angaben häufig in Bezug auf ein breites Allgemeinwissen, auf Präsentationsfähigkeit und auf schriftliches Ausdrucksvermögen. Viele geben auch an, sich wieder an das Lernen gewöhnen zu müssen. Beruflich qualifizierte Studierende wollen sich gezielt auf das Studium vorbereiten. 61,3 Prozent geben an, dass studienvorbereitende Kurse zum Auffrischen oder Nachholen von Schulwissen wichtig für den Studieneinstieg sind. Dort, wo entsprechende Angebote gemacht werden, werden diese von 69 Prozent der beruflich qualifizierten Studierenden wahrgenommen. Im Vordergrund stehen dabei Mathematik (91 Prozent), Chemie oder Physik (15 Prozent) oder Sprachkurse (6 Prozent).
Die Studienergebnisse dienen einerseits als gute Informationsbasis für weitere Diskussionen in den Hochschulen, sie tragen aber auch dazu bei, mögliche Vorurteile gegenüber beruflich Qualifizierten abzubauen und Befürchtungen im Hinblick auf eine weitere Öffnung der Hochschulen zu verringern. "Es geht hier nicht um Massen, die die Hochschulen stürmen. Die Studie gibt vielmehr erste Hinweise darauf, dass es die Besten sind, die sich für ein Studium entscheiden. Unser Ziel ist es, Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass beruflich Qualifizierte wie auch die Hochschulen gut vorbereitet sind." So sollen gemeinsam mit den Hochschulen und Kammern Wege eröffnet werden, die Information und Beratung der beruflich Qualifizierten auch im Hinblick auf den Bedarf und das Angebot an studienvorbereitenden Kursen weiter zu verbessern. Die Ergebnisse der Studie dienen auch als Vergleichsbasis für weitere Befragungen, die im Rahmen des Modellversuches geplant sind. So sollen ab August 2011 alle neu eingeschriebenen beruflich qualifizierten Studierenden regelmäßig über ihren Studienverlauf hinweg zu ihren Erfahrungen, Motiven und Studienleistungen befragt werden. Diese Befragungen werden dann auch solche beruflich Qualifizerten erfassen, die nach den neuen erleichterten und erweiterten Hochschulzugangsregeln eingeschrieben wurden.
Im Rahmen des Modellversuchs können in ausgewählten Studiengängen auch beruflich Qualifizierte ohne die sonst geforderte 2-jährige Berufserfahrung eingeschrieben werden. Neben Studiengängen an den Fachhochschulen Mainz und Koblenz, die diese Möglichkeit bereits zum Sommersemester 2011 angeboten haben, kommen zum Wintersemester 2011/12 weitere Angebote an den Fachhochschulen Bingen und Trier hinzu.