Neues Forschungsvorhaben am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz
06.09.2011
Seit August 2011 arbeitet das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz am Forschungsvorhaben "Bereitstellung von sicherheitsrelevanten Informationen zu Arzneistoffen und damit verbundenen Tätigkeiten - BESI". Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, ein allgemein anwendbares Informations- und Bewertungsverfahren für gesundheitsschädliche Arzneistoffe aufzubauen und an etwa 80 Leitsubstanzen aus der Gruppe der Antiinfektiva sowie eventuell an weiteren Stoffgruppen zu erproben. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Apotheke der Universitätsmedizin Mainz und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) durchgeführt und durch die BGW über einen Zeitraum von 3 Jahren gefördert. Nach erfolgreichem Abschluss des Projekts ist von Seiten der BGW geplant, die Ergebnisse Betrieben im Bereich des Gesundheitswesens in Form von Arbeitshilfen zur Gefährdungsbeurteilung und Empfehlungen für Schutzmaßnahmen kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Mehrere Millionen Menschen arbeiten regelmäßig in Deutschland in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Apotheken und anderen gesundheitsdienstlichen Einrichtungen mit Arzneistoffen. Bei Tätigkeiten im Pflegebereich, wie z.B. bei der Vorbereitung und Verabreichung von Infusionslösungen, beim Einreiben mit Dermatika oder beim Zerkleinern von Tabletten kann es zur Exposition der Beschäftigten gegenüber den eingesetzten Arzneistoffen kommen. Die Beantwortung der Frage, welchen gesundheitlichen Risiken die Beschäftigten beim Umgang mit Arzneistoffen möglicherweise ausgesetzt sind (Gefährdungsbeurteilung), ist in der betrieblichen Praxis häufig nur unzureichend möglich. Da Fertigarzneimittel von der gefahrstoffrechtlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind, fehlen in den meisten Fällen einschlägige Informationen über Gefahrstoffeigenschaften von Medikamenten. Zur Abschätzung der Exposition bei entsprechenden Tätigkeiten stehen darüber hinaus bisher nur vereinzelt Daten in der wissenschaftlichen Literatur zur Verfügung. Die Relevanz der Thematik in Bezug auf den vorbeugenden Arbeitsschutz verdeutlicht nicht zuletzt eine von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege initiierte und geförderte Literaturrecherche. Diese ergab für über 500 in Deutschland zugelassene Arzneimittel einen begründeten Verdacht auf sensibilisierende oder kanzerogene, mutagene und/oder reproduktionstoxische Eigenschaften (cmr-Eigenschaften).
Hier setzt die neue Studie des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz an: "Um die für Gefährdungsbeurteilungen erforderlichen Informationen zu ermitteln, sollen die tätigkeitsbezogenen Expositionen gegenüber Arzneistoffen und die sensibilisierenden und cmr-Eigenschaften der Stoffe zunächst getrennt voneinander bewertet werden", erläutert Prof. Dr. Stephan Letzel, Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. "Anschließend sollen Empfehlungen für Schutzmaßnahmen auf der Basis eines kategorisierenden Systems abgeleitet werden."
Um dies zu erreichen, sind folgende wesentliche Aspekte und Projektschritte abzuarbeiten: Tätigkeiten mit Arzneistoffen und potenzielle Expositionswege sollen anhand von Hospitationen, also der Betrachtung der Situation in entsprechenden Betrieben vor Ort, sowie Literaturangaben und einer exemplarischen Erhebung von Expositionsdaten - bspw. mittels Luftmessungen - systematisch erfasst werden. "Auf der anderen Seite müssen wir Daten zu arbeitsmedizinisch-toxikologisch relevanten Eigenschaften von Arzneistoffen aus der Gruppe der Antiinfektiva gewinnen, diese systematisch bewerten und kategorisieren", so Letzel. "Ziel ist es, ein Einstufungssystem zu entwickeln, das eventuell auch auf andere Arzneistoffe übertragen werden kann." Schließlich sind Recherchen und Überlegungen zu Art und Umfang sowie Wirksamkeit und Praktikabilität möglicher Schutzmaßnahmen zur Expositionsminderung nötig. "Die Projektbeteiligten versprechen sich von dem Forschungsvorhaben neue evidenzbasierte Aussagen und Erkenntnisse, die als Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung in gesundheitsdienstlichen Einrichtungen genutzt werden können", so Letzel.