Verbundprojekt untersucht Eignung von Ton als Endlagergestein für radioaktive Abfälle

Bundeswirtschaftsministerium unterstützt Forschungsverbund

24.04.2006

Bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) einen Forschungsverbund zur Untersuchung geeigneter Wirtsgesteine für weitere drei Jahre finanziell unterstützen. Wie am Rande eines Workshops des Verbundprojekts "Migration von Actiniden im System Ton, Huminstoff, Aquifer" Ende März an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mitgeteilt wurde, soll nach der Untersuchung von Salz und dem Modelltonmineral Kaolinit nun damit begonnen werden, natürliche Tongesteine auf ihre Eignung als Wirtsgestein beziehungsweise als geologische Barriere eines Endlagers für radioaktive Abfälle zu untersuchen. Die beteiligten acht Forschungseinrichtungen werden dabei insbesondere ermitteln, wie sich radioaktive Elemente, vor allem Actinide, auf ihrem Weg durch das Gestein verhalten würden, falls es zu einer Freisetzung und Ausbreitung aus einem Endlager käme.

Die JGU hat zusammen mit dem Forschungszentrum Karlsruhe und dem Forschungszentrum Rossendorf im Jahr 1995 auf Initiative des BMWi einen Kompetenzverbund etabliert, dem mittlerweile weitere fünf Forschungseinrichtungen angehören: das Institut für Interdisziplinäre Isotopenforschung Leipzig sowie die Universität des Saarlandes, die TU München, die Universität Heidelberg und die Universität Potsdam. Sie untersuchen, wie sich radioaktive Elemente verhalten, wenn sie freigesetzt würden und mit der natürlichen Umgebung, also Gesteinen und gesteinsspezifischen Lösungen, in Kontakt kämen: Wie werden die Radionuklide von verschiedenen Gesteinen festgehalten und welche Transportprozesse müssen berücksichtigt werden? Werden Radionuklide der Actinidenelemente Uran, Neptunium oder Plutonium bei einem Wassereinbruch überhaupt mobilisiert oder lagern sie sich vor Ort an Oberflächen an und verharren dort unbeweglich? Kommt es zur Bildung von Kolloiden und erfolgt eine Bindung der Radionuklide etwa an Huminstoffe, die in natürlichen Grundwässern vorkommen? Besteht dadurch die Gefahr einer beschleunigten Ausbreitung radioaktiver Substanzen? Welche Wechselwirkungen gibt es mit anderen, nichtradioaktiven Stoffen? "Zum Beispiel haftet vierwertiges Plutonium überall wie festgenagelt und es wäre keine Wanderung zu erwarten. Wenn es sich aber an kleinen Teilchen anlagert, wandert es doch", erläutert Dr. Norbert Trautmann vom Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz das unterschiedliche Verhalten radioaktiver Substanzen in Abhängigkeit von der Umgebung.

Nach ersten Untersuchungen über den Einfluss von Huminstoffen auf das Migrationsverhalten hatte der Kompetenzverbund seinen Fokus zunächst auf die Verhältnisse bei der Endlagerung in Salzgestein gelegt. Der Einfluss von Huminsäuren auf die Migration von Radionukliden durch Komplexbildung wurde in salzhaltigen Lösungen erforscht. Seit 2003 wurde dann das Tongestein Kaolinit als einfaches Modellmineral verwendet. Beim jetzigen Abschlussworkshop zu dieser Verbundphase haben die beteiligten Forschungseinrichtungen ihre in den vergangenen zweieinhalb Jahren erhaltenen Ergebnisse vorgestellt. Gleichzeitig fiel der Startschuss für eine weitere dreijährige Verbundphase. "Wir werden nun die Untersuchungen an Kaolinit beenden und wahrscheinlich einen in Norddeutschland natürlich vorkommenden Mergelton als Referenzsubstanz verwenden", so Dr. Siegfried Köster vom BMWi mit dem Hinweis, dass der Bund auch die nächste Projektphase fördern werde. Nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es Köster zufolge mit dem seit Langem untersuchten Salzstock Gorleben eine sehr gute Lösung, um ein Endlager für abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken und hochradioaktive Abfälle einzurichten. "Wir glauben aber nicht, dass Ton prinzipiell weniger geeignet ist. Ton wird in anderen Ländern favorisiert, die kein Salzgestein haben."

Anhand von Kaolinit hat das Verbundprojekt in den vergangenen zweieinhalb Jahren die systematischen Grundlagen erarbeitet und die Werkzeuge entwickelt, um Untersuchungen mit einem komplexeren Tongestein beginnen zu können. "Der Verbund wird nun das erarbeitete Know-how zum Studium der Wechselwirkung von radioaktiven Elementen mit natürlichem Tongestein nutzen", erklärt Dr. Holger Bittdorf vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe. "Mit dem jetzt vorhandenen Methodenarsenal sollte es in Zukunft möglich sein, unbekannte Tongesteine im Hinblick auf die für die Radionuklid-Migration wichtigen Eigenschaften einzuordnen und miteinander zu vergleichen." Die so ermittelten Kenngrößen werden in die Langzeitsicherheitsanalyse einfließen, die sich auf einen Zeitraum von einer Million Jahren erstreckt. Bittdorf weist darauf hin, dass die Untersuchung von Tongesteinen unabhängig vom Wirtsgestein des tatsächlichen Endlagers hilfreich und notwendig ist, da beispielsweise eine den Abfall einschließende Tonbarriere bei einer hypothetischen Freisetzung als eine lange Zeit wirksame Barriere dienen kann und den Radionukliden den Weg in die Biosphäre versperrt.

Bei ihren künftigen Arbeiten werden die Projektpartner mit weiteren Institutionen, die sich vorwiegend mit geochemischen Fragestellungen und der Langzeitsicherheitsanalyse befassen, zusammenarbeiten, darunter der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Braunschweig. "Das BMWi und der Projektträger wollen das in Deutschland vorhandene Wissen zusammenführen und über die Verbundstruktur hinaus den engen wissenschaftlichen Austausch der in der Endlagerforschung tätigen Forschungseinrichtungen fördern", betont Bittdorf. Der internationale Stand der Wissenschaft und Technik wird durch gleichzeitige Beteiligung deutscher Institutionen an internationalen Kooperationen berücksichtigt. Wurde bislang schon mit Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden und Belgien, Schweden, den USA und Russland kooperiert, so zeigt aktuell China großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit deutschen Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Endlagerung.