Physiker verwenden Atommagnetometer, um biomagnetische Signale einer fleischfressenden Pflanze zu messen
27.01.2021
Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist eine fleischfressende Pflanze, die ihre Beute mithilfe von Fangblättern umschließt. Bei dem Vorgang lösen elektrische Signale, sogenannte Aktionspotenziale, den Verschluss der Blatthälften aus. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat nun gezeigt, dass die elektrischen Signale messbare magnetische Felder erzeugen. Dieser Biomagnetismus konnte mit Atommagnetometern erfasst werden. "Die Untersuchung kann man sich ein bisschen so vorstellen wie eine MRT-Untersuchung beim Menschen", erklärt die Physikerin Anne Fabricant von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass die magnetischen Signale in Pflanzen winzig sind und daher auch mit früheren Technologien sehr schwer zu messen waren."
Elektrische Aktivität in der Venusfliegenfalle ist mit magnetischen Signalen verbunden
Vom menschlichen Gehirn wissen wir, dass Spannungsänderungen in bestimmten Regionen von aufeinander abgestimmten elektrischen Aktivitäten stammen, die als Aktionspotenziale durch die Nervenzellen wandern. Mit Techniken wie der Elektroenzephalographie (EEG), der Magnetoenzephalographie (MEG) und der Magnetresonanztomographie (MRT) können diese Aktivitäten aufgezeichnet und Störungen nichtinvasiv diagnostiziert werden. Wenn Pflanzen stimuliert werden, erzeugen sie ebenfalls elektrische Signale, die analog zum menschlichen und tierischen Nervensystem durch ein zelluläres Netzwerk reisen können.
Nun hat ein interdisziplinäres Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM), des Biozentrums der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin demonstriert, dass elektrische Aktivität in der Venusfliegenfalle auch mit magnetischen Signalen verbunden ist. "Damit konnten wir zeigen, dass Aktionspotenziale in einem vielzelligen Pflanzensystem messbare magnetische Felder produzieren, was bislang nicht bestätigt worden war", so Anne Fabricant, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dmitry Budker an der JGU und dem HIM.
Die Falle von Dionaea muscipula besteht aus einem zweiteiligen Fangblatt mit empfindlichen Haaren, die bei Berührung ein Aktionspotenzial in der ganzen Falle auslösen. Nach zwei aufeinanderfolgen Stimulationen schließt die Falle und das mögliche Beuteinsekt wird für die anschließende Verdauung eingesperrt. Interessanterweise ist die Falle auf ganz unterschiedliche Art elektrisch erregbar: Nicht nur mechanische Einwirkung wie Berührung oder Verletzung, sondern auch Osmose, etwa Salzwasser, und thermische Energie wie Hitze oder Kälte können ständig Aktionspotenziale auslösen. In seinen magnetischen Messungen hat das Forscherteam für diese Studie Wärmestimulation benutzt, um damit beispielsweise unerwünschte mechanische Geräusche zu vermeiden.
Biomagnetismus – Erkennung von magnetischen Signalen aus lebenden Organismen
Während Biomagnetismus in Menschen und Tieren relativ gut erforscht ist, war bislang wenig entsprechende Forschungsarbeit im Pflanzenreich erfolgt – und dies nur mit sogenannten SQUID-Magnetometern, die Abkürzung für "Superconducting Quantum Interference Device", ausgesprochen große Geräte, die auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt sind. Um die magnetischen Signale der Venusfliegenfallen zu messen, hat das Forschungsteam Atommagnetometer verwendet. Als Sensor dient eine Glaszelle, gefüllt mit gasförmigen Alkaliatomen, die kleine Änderungen in der lokalen Magnetfeldumgebung aufspüren. Diese optisch gepumpten Magnetometer sind für biologischen Anwendungen attraktiv, weil sie keine kryogenen Temperaturen erfordern und außerdem miniaturisiert werden können.
Die Studie zur Venusfliegenfalle ermittelte magnetische Signale mit einer Amplitude bis zu 0,5 Pikotesla – millionenfach schwächer als das Magnetfeld der Erde. "Der Signalwert, den wir erhalten haben, ist ungefähr so groß wie die Stärke, die man bei Oberflächenmessungen von Nervenimpulsen bei Tieren beobachtet", so Anne Fabricant. Die Physikerinnen und Physiker aus Mainz zielen darauf ab, noch kleinere Signale von anderen Pflanzenarten zu messen. In der Zukunft könnte man solche nichtinvasiven Technologien vielleicht dazu nutzen, um den Zustand von Kulturpflanzen in der Landwirtschaft zu diagnostizieren, indem man die elektromagnetische Reaktion auf Stress durch plötzliche Temperaturänderungen, Schädlinge oder chemische Einflüsse erfasst, ohne die Pflanzen mit Elektroden zu beschädigen.
Die Forschungsarbeit wurde in dem Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht. Finanzielle Unterstützung erhielt das Projekt aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Carl-Zeiss-Stiftung und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).