Untersuchung von heterogenen Proben in Metallcontainern mithilfe von Null- bis Ultraniedrigfeld-NMR-Spektroskopie
15.07.2020
Die Kernspinresonanz bildet die Grundlage für zahlreiche Untersuchungsmöglichkeiten: So gehört die Kernspinresonanzspektroskopie in der Chemie zu einer Standardmethode der Analytik; in der Medizin ist die Magnetresonanztomographie (MRT) ein weitverbreitetes bildgebendes Verfahren. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) haben in Zusammenarbeit mit Gastwissenschaftlern aus Nowosibirsk in Russland nun ein neues Verfahren entwickelt, um chemische Reaktionen zu beobachten. Sie setzen dabei die NMR-Spektroskopie – NMR ist kurz für Nuclear Magnetic Resonance – ein, allerdings eher unkonventionell, nämlich mit einem äußerst schwachen Magnetfeld. "Das Verfahren bietet gleich zwei Vorteile: Zum einen können wir Proben in Metallbehältnissen untersuchen, zum anderen Proben aus verschiedenartigen Bestandteilen", sagt Prof. Dr. Dmitry Budker, der Leiter der Mainzer Gruppe. "Wir denken, dass die Ergebnisse für die praktische Anwendung von großem Nutzen sein könnten."
Die NMR-Spektroskopie dient in der Chemie als Untersuchungstechnik, um die Zusammensetzung von Stoffen zu analysieren und Strukturen aufzuklären. Ein wichtiges Werkzeug ist die Hochfeld-NMR, die eine zerstörungsfreie Untersuchung von Proben ermöglicht. Allerdings können mit dieser Methode keine chemischen Reaktionen in Metallbehältern beobachtet werden, weil das Metall die relativ hohen Frequenzen abschirmt. Typischerweise bestehen NMR-Probencontainer daher aus Glas, Quarz, Plastik oder Keramik. Außerdem fallen die Ergebnisse bei heterogenen Proben aus verschiedenen Bestandteilen schlechter aus. Etwas fortschrittlichere Ansätze haben oft den Nachteil, dass sie keine Im-Betrieb-Analyse erlauben.
Null- bis Ultraniedrigfeld-Magnetresonanz als Alternative vorgeschlagen
Die Gruppe um Prof. Dr. Dmitry Budker hat als Alternative den Einsatz von Null- bis Ultraniedrigfeld-Magnetresonanz, kurz ZULF-NMR, vorgeschlagen. Weil kein starkes externes Magnetfeld vorhanden ist, kommt es hier auch zu keiner Abschirmung durch den Metallcontainer. Die Versuche erfolgten in einem Titan-Röhrchen und zum Vergleich in einem herkömmlichen NMR-Röhrchen aus Glas. Dabei wurde jeweils Parawasserstoff durch eine Flüssigkeit geleitet, sodass eine Reaktion der Moleküle mit dem Wasserstoff stattfindet.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Reaktion in dem Titan-Röhrchen mithilfe der ZULF-NMR gut verfolgen lässt. Zu sehen ist, wie schnell die Reaktion stattfindet, in welchen Schritten sie erfolgt und an welchem Punkt des Prozesses sie sich befindet – alles noch während die Reaktion abläuft. "Wir rechnen damit, dass die ZULF-NMR auf dem Gebiet der Katalyse für operando- und in situ-Reaktionsmonitoring zur Anwendung kommt, ebenso wie zur Untersuchung der Mechanismen chemischer Reaktionen unter realistischen Bedingungen", schreiben die Forschenden in einem Beitrag für die renommierte Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition. An der Arbeit waren auch drei Wissenschaftler des International Tomography Center in Nowosibirsk beteiligt: Prof. Dr. Igor V. Koptyug, der als Gastwissenschaftler das HIM in Mainz besuchte, Dudari B. Burueva, als Doktorandin von Koptyug ebenfalls zu Besuch in Mainz und Erstautorin der jetzt veröffentlichten Studie, sowie Dr. Kirill V. Kovtunov. "Unser Kollege Kirill Kovtunov verstarb leider während der Erstellung des Manuskripts für diese Veröffentlichung. Seine Beiträge waren für uns von wichtiger Bedeutung", merkt Prof. Dr. Dmitry Budker an. Vonseiten des HIM und der JGU hat an dem Forschungsprojekt eine Gruppe junger Wissenschaftler mitgearbeitet: Dr. James Eills und Dr. John W. Blanchard sowie die Doktoranden Antoine Garcon und Román Picazo Frutos.