Universitätsbibliothek restituiert Buch an Urenkel des Mainzer Fabrikanten und Kunstsammlers Felix Ganz

Ergebnis der Recherchen im Rahmen eines Projekts am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft

09.12.2021

Im Rahmen des Forschungsprojekts "Rekonstruktion der Kunstsammlung Felix Ganz" am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft (IKM) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) unter Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra wurde jetzt ein Buch des Mainzer Fabrikanten und Kunstsammlers Felix Ganz zutage befördert, der im Jahr 1944 wegen seines jüdischen Glaubens zusammen mit seiner Frau Erna in Ausschwitz ermordet worden war. Bei dem Fundstück, das bisher unbemerkt in der Universitätsbibliothek Mainz gestanden hatte, handelt sich um das Insel-Büchlein "William Cohn: Ostasiatische Porträtmalerei" aus dem Jahre 1922. Nathalie Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKM entdeckte das unscheinbare Buch eher zufällig. Prof. Adam Ganz, ein Urenkel von Felix Ganz aus London, nahm es nun bei der offiziellen Rückgabe in Mainz persönlich in Empfang. Adam Ganz ist Professor an der Royal Holloway University of London, Associate des dortigen renommierten Holocaust Research Institute und als assoziierter Wissenschaftler Teil des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderten Projekts "Rekonstruktion der Kunstsammlung Felix Ganz" unter Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra von der JGU.

Auf das in der Universitätsbibliothek Mainz entdeckte Buch aus der Ganz'schen Bibliothek wurde Nathalie Neumann durch den bislang unbekannten Exlibris- oder Besitzvermerk-Stempel der Eheleute Gertrud und Felix Ganz aufmerksam. Neumann ist als Kunsthistorikerin am IKM der JGU spezialisiert auf die Erforschung der Herkunft von Kunstwerken und anderen Kulturgütern. Als Mitarbeiterin im Forschungsprojekt "Rekonstruktion der Kunstsammlung Felix Ganz" befasst sie sich damit, den Verbleib von Ganz‘schen Sammlung systematisch zu untersuchen.

Die Familie Ganz spielte eine wichtige Rolle im Kulturleben der Stadt Mainz, so auch Felix Ganz, der in den 1920er-Jahren unter anderem als Schriftführer der Gutenberg-Gesellschaft, Mitglied in verschiedenen Mainzer Kultureinrichtungen und Förderer des Römisch-Germanischen Zentralmuseums aktiv war. Auf seinen zahlreichen internationalen Geschäftsreisen unter anderem nach Paris, London, Istanbul, Tbilisi und Tabris trug er eine bedeutende Sammlung an Kunstobjekten aus dem Nahen und Fernen Osten zusammen. Der Verbleib des größten Teils seiner privaten Bibliothek und Kunstsammlung nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten blieb lange Zeit ungeklärt, bis schließlich im Jahr 2019 einige Möbel aus dem Besitz von Felix Ganz im Landesmuseum Mainz identifiziert und im Rahmen der Ausstellung "Betrifft: Erwerb aus jüdischem Besitz" in Mainz präsentiert werden konnten.

Mit dem jetzt in der Universitätsbibliothek entdeckten Buch wurde erneut ein wenig mehr Licht ins Dunkel gebracht. "Es ist ein wichtiger Fund, der uns auf eine neue Spur gesetzt hat. Wir werden jetzt abklären, ob noch weitere Bücher aus der Bibliothek von Felix Ganz stammen", erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra.

Die Bestände der Universitätsbibliothek Mainz ebenso wie die zahlreicher später integrierter Instituts- und Seminarbibliotheken mussten nach der Wiedereröffnung der Universität 1946 zunächst mit Unterstützung der französischen Besatzungsbehörden komplett neu aufgebaut werden. "Wir sind dankbar für das Interesse der Provenienzforschung an unseren Beständen und die Unterstützung durch die Kunstgeschichte. Nur durch derartige länder- und institutionsübergreifende Forschungsanstrengungen ist es möglich, die Herkunft uns anvertrauter Bücher aus dieser Zeit zu klären und sie gegebenenfalls erfolgreich restituieren zu können", betont Dr. Michael Hansen, Direktor der Universitätsbibliothek Mainz.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg, das die Provenienzrecherche an der JGU fördert, versteht sich national und international als zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Suche nach sogenanntem NS-Raubgut, also im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut insbesondere aus jüdischem Besitz.