Start-up-Unternehmen im Hightechbereich profitieren von Twitter-Hype

Neue Studie zeigt Zusammenhang zwischen Stimmungslage auf Twitter und der Bewertung eines Start-ups durch Risikokapitalgeber / Patente sind stärkere Indikatoren für langfristigen Erfolg

10.02.2021

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat in den vergangenen Wochen und Monaten in der US-Politik eine prominente Rolle gespielt und viel Aufmerksamkeit erregt. Aber auch in der Wirtschaft werden die Tweets von Twitter-Nutzern aufmerksam verfolgt und als Entscheidungsgrundlage genutzt. Eine neue Studie zeigt, dass sich Risikokapitalgeber ebenfalls von der Stimmungslage auf Twitter beeinflussen lassen, wenn sie Start-up-Unternehmen aus dem Hightechsektor bewerten. "Allerdings sagt das Stimmungssignal auf Twitter nichts über den langfristigen Investmenterfolg eines solchen Start-ups aus. Hierfür eignen sich beispielsweise Patentanträge wesentlich besser", sagt Prof. Dr. Andranik Tumasjan von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Er hat die Studie zusammen mit Prof. Dr. Reiner Braun und Dr. Barbara Stolz von der TU München durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachmagazin Journal of Business Venturing veröffentlicht.

Twitter als Informationsplattform im Technologiebereich weltweit etabliert

Ausgangspunkt des Teams war die Frage, wie stark sich Risikokapitalgeber durch Medien-Hypes beeinflussen lassen. "Unter den sozialen Medien ist Twitter das Medium, das sich für eine solche Untersuchung im Business- und Technologiesektor am besten eignet", erklärt Tumasjan. Der 2006 gegründete Kurznachrichtendienst ist mittlerweile für den kurzfristigen Austausch von Informationen über neue Technologien und Trends wie beispielsweise Künstliche Intelligenz und generell geschäftliche Aktivitäten die weltweit wichtigste Social-Media-Plattform. Somit könnten Stimmungslagen auf Twitter auch die Einschätzungen von Risikokapitalgebern beeinflussen. "Gerade junge Unternehmen sind am Anfang ihrer Tätigkeit, wenn noch nichts produziert oder verkauft wird, schwierig zu bewerten. Das heißt, die Risikokapitalgeber entscheiden über Investitionen in Technologie-Start-ups vor dem Hintergrund großer Unsicherheiten", so Tumasjan.

Aber können Twitter-Stimmungen die Bewertung und den Erfolg von Start-ups im Hightechbereich vorhersagen? Das Forscherteam hat dazu über 400.000 englischsprachige Tweets zu 37 unterschiedlichen Technologien und mehr als 4.600 Risikokapitalfinanzierungsrunden im Zeitraum von 2008 bis 2017 analysiert. Die Auswertung der Tweets erfolgte mithilfe von VADER, einem Lexikon, das speziell zur Messung von Social-Media-Stimmungen dient. "Das gibt uns einen objektiven Indikator, wie die Stimmungslage auf Twitter ist, also wie über eine bestimmte Technologie ganz konkret gesprochen wird", erläutert Tumasjan. Insgesamt wurden 4.005 US-Unternehmen einbezogen, die im Durchschnitt knapp fünf Jahre alt waren. Die Berechnung der Bewertung eines Unternehmens erfolgte anhand der sogenannten Vor-Geld-Bewertung. Der Investmenterfolg wiederum wurde am Börsengang oder der Akquisition eines Start-ups gemessen.

Twitter-Stimmungen als "schwaches Signal" identifiziert, Patente sind "starkes Signal"

Tatsächlich, so das Ergebnis, kann die Stimmungslage zu Technologien auf Twitter die Risikokapitalbewertung von jungen Hightechunternehmen, deren Geschäftsmodell auf diesen Technologien aufbaut, signifikant vorhersagen. Allerdings kann Twitter nicht den langfristigen Investmenterfolg – zum Beispiel durch einen Börsengang oder eine Firmenübernahme des Start-ups – prognostizieren. "Damit erachten wir Twitter zwar als ein neues Signal für die Risikokapitalfinanzierung, allerdings nur als ein schwaches Signal im Gegensatz zu Patenten", so Tumasjan. Patente und Patentanträge gelten schon seit Jahren als starkes Signal, da sie sowohl mit der Bewertung als auch mit dem langfristigen Investmenterfolg korrelieren. Patentanträge sagen signifikant die Erfolgswahrscheinlichkeit vorher.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es aus der Sicht von Firmengründerinnen und Firmengründern durchaus von Vorteil sein kann, auf einen Twitter-Hype zu setzen, um somit eine höhere Kapitalbewertung zu erhalten. Risikokapitalgebern allerdings empfiehlt Prof. Dr. Andranik Tumasjan, sich durch die Stimmungslage auf Twitter nicht beeinflussen zu lassen, sondern auf andere Signale, etwa Patente, zu fokussieren. Dies gilt auch für erfahrene Risikokapitalgeber: Gegen einen Twitter-Hype sind auch sie laut der Studie nicht immun.

Andranik Tumasjan hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und an der Technischen Universität München im Bereich Management promoviert und habilitiert. Seit 2017 ist er Professor und Leiter der Forschungsgruppe für Management und Digitale Transformation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsarbeiten befassen sich mit der Frage, wie digitale Technologien die Entstehung neuer Organisations-, Führungs- und Geschäftsmodelle sowie unternehmerischer Gelegenheiten beeinflussen. Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf dem Potenzial der Blockchain-Technologie. In früheren Studien untersuchte er bereits, inwieweit die Stimmungslage auf Twitter Ereignisse wie politische Wahlen und Bewegungen an Aktienmärkten vorhersagen kann.