AG Didaktik der Biologie will mit dem Projekt "Hummeln helfen! Rhein-Main" Wissen über Artenvielfalt bei Wildbienen vermitteln und zu mehr Insektenschutz beitragen
31.03.2022
Für das anhaltende Insektensterben in Deutschland und vielen anderen Regionen der Welt gibt es bereits seit einiger Zeit unzweifelhafte wissenschaftliche Belege. Der Verlust vieler Arten, besonders auch unter den Bienen, wird für die Bestäubung unserer Pflanzen und die Stabilität der Ökosysteme weitreichende Folgen haben. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein für die komplexen Zusammenhänge und die Vielfalt der Bestäuber zu schärfen. Allerdings, so zeigt eine neue Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), sind Schülerinnen und Schüler kaum in der Lage, die Bedeutung von Wildbienen korrekt einzuschätzen und verschiedene Bienenarten zu unterscheiden. "Damit fehlen die Voraussetzungen für einen effektiven Schutz dieser Insekten, denn wie es oft heißt: Man kann nur schützen, was man kennt", sagt Laura Christ von der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie an der JGU. Vor diesem Hintergrund wurde ein Projekt entwickelt, um Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über Wildbienen zu vermitteln, damit sie sich aktiv für deren Schutz einsetzen können. Das Projekt "Hummeln helfen! Rhein-Main" wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) über drei Jahre mit 345.000 Euro gefördert.
Insektensterben hat weitreichende ökonomische und ökologische Folgen
Der Verlust an Insektenarten wird Prognosen zufolge in manchen Regionen bis zu zehn Prozent erreichen, wobei Europa stärker betroffen sein wird als andere Teile der Welt. Als Ursachen gelten der Klimawandel und der Verlust von intaktem Lebensraum und Nahrungsquellen infolge von Verstädterung und Intensivierung der Landwirtschaft. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang bei den Bienen als wichtigen Bestäubern für Wild- und Kulturpflanzen. Die Folgen werden in ökonomischer und ökologischer Hinsicht zu spüren sein: 70 Prozent der 124 wichtigsten Kulturpflanzen für den menschlichen Konsum sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Der wirtschaftliche Wert der Bestäubung durch Insekten erreicht in der EU einen Wert von jährlich knapp 15 Milliarden Euro. Die ökologischen Konsequenzen sind nicht weniger massiv. Insekten sorgen für die Stabilität vieler Ökosysteme und tragen zur Diversität von Blütenpflanzen bei.
Das Honigbienenphänomen: Bei "Bienen" wird nur an Honigbienen gedacht
Um das ganze Ausmaß der drohenden Einbußen zu erfassen, ist es nach Darstellung von Laura Christ wichtig, beim Wort "Biene" nicht nur an die bekannte Honigbiene zu denken, sondern auch an die Wildbienen. "In Deutschland sind laut Roter Liste etwa 53 Prozent der Wildbienen bestandsgefährdet, vom Aussterben bedroht oder extrem selten", so die Mainzer Biologiedidaktikerin. "Aber die wenigsten wissen, dass zum Beispiel auch Hummeln zu den Wildbienen gehören." In Deutschland sind etwa 560 unterschiedliche Wildbienenarten bekannt, darunter 41 Hummelarten. "'Wildbiene' ist übrigens kein wissenschaftlicher Begriff, sondern wird dafür verwendet, die Honigbiene von den anderen Arten innerhalb der Familie der Echten Bienen abzugrenzen", erläutert die Nachwuchswissenschaftlerin.
Ob den Schülerinnen und Schülern diese Vielfalt bewusst ist, hat Laura Christ im Rahmen ihrer Doktorarbeit an weiterführenden Schulen im Rhein-Main-Gebiet untersucht. Sie führte dazu das Konzept der Species Awareness Disparity (SAD) bei Bienen ein. "Wir wollten wissen, ob die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Wildbienenarten erkennen und ob ihnen deren Bedeutung für die biologische Vielfalt bewusst ist", so Christ. An der Studie mit dem Titel "SAD but True: Species Awareness Disparity in Bees Is a Result of Bee-Less Biology Lessons in Germany" nahmen 421 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen fünf bis sieben teil. Mithilfe eines Fragebogens sollten sie zunächst beantworten, was sie mit dem Begriff "Wildbiene" verbinden, und dann anhand von zwölf Fotos Wildbienen neben Honigbienen und Schwebfliegen erkennen.
Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, so die Ergebnisse, scheint beim Begriff "Wildbiene" nicht an die große Vielfalt unter den Bienen zu denken, sondern verbindet damit die Honigbiene. Bei den Fotos konnten nur 2,7 Prozent der Elf- bis Vierzehnjährigen alle Wildbienen und Honigbienen korrekt identifizieren. 13,8 Prozent der Befragten konnten dagegen nicht eine einzige Wildbienenart richtig zuordnen. "Insgesamt zeigt sich ein hohes Maß an Unsicherheit", so Christ. "Den Schülerinnen und Schülern ist die große Vielfalt im äußeren Erscheinungsbild und der Lebensweise der Bienen nicht klar. Viele denken, Wildbienen sind Honigbienen, die in der Wildnis leben und nicht von Imkern gehalten werden."
Geringe Kenntnisse über Bienenvielfalt zeigt Handlungsbedarf auf
Um das Wissen über Artenvielfalt im Biologieunterricht zu verankern, hat die Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie um Prof. Dr. Daniel Dreesmann nach dem ersten Projekt "Hallo Hummel!" eine weitere Initiative gestartet: "Hummeln helfen! Rhein-Main" ist 2021 mit 12 Lerngruppen angelaufen, dieses Jahr sind 26 Lerngruppen in den Klassen fünf bis acht an elf Schulen in Mainz, Wiesbaden, Bingen, Nieder-Olm und Ingelheim am Start. Die Schülerinnen und Schüler untersuchen zunächst ihr eigenes Schulgelände auf die Blütenvielfalt und das Vorkommen von Wildbienen und bestimmen sie anhand eines eigens dafür entworfenen Bestimmungsfächers. Sie erarbeiten dann Vorschläge, wie das Schulareal zum Vorteil von Hummeln und Insekten gestaltet werden könnte, beispielsweise durch Hochbeete, Nisthilfen oder die Auswahl bestimmter regionaler Blühpflanzen. Um auch ihr privates Umfeld und weitere Kreise über die Problematik und Wichtigkeit der Artenvielfalt zu informieren, entwickeln die Schülerinnen und Schüler Informationsmaterialien wie etwa Flyer oder Postkarten.
"Wir denken, dass Schülerinnen und Schüler viel besser für den Artenschutz motiviert werden können, wenn man sie gezielt in Aktivitäten einbindet. Wir orientieren uns daher am Citizen-Science-Ansatz, bei dem auch Forschende und Laien kooperieren", sagt Laura Christ. Bei "Hummeln helfen! Rhein-Main" können Schülerinnen und Schüler Wissen über Wildbienen erwerben, die Artenvielfalt kennenlernen und sich ganz konkret mit den Faktoren des Bienen- und Insektensterbens auseinandersetzen, um anschließend selbst aktiv zu werden.