Schnellere und effizientere Informationsübertragung

Physiker verwenden antiferromagnetischen Rost, um Informationen über große Entfernungen bei Raumtemperatur zu transportieren

10.12.2020

Sei es bei Smartphones, Laptops oder Großrechnern: Die Informationsübertragung basiert derzeit auf einer einzigen Materialklasse – wie bereits in den Anfängen der Informatik vor etwa 60 Jahren. Eine neue magnetische Materialklasse dagegen könnte die Informationstechnologien auf eine andere Stufe heben: Antiferromagnetische Isolatoren ermöglichen Rechengeschwindigkeiten, die tausendfach schneller sind als bei herkömmlicher Elektronik. Dabei entwickeln sie zusätzlich deutlich weniger Hitze. Die Bauelemente könnten daher auch enger zusammengepackt und die Logikbausteine somit kleiner werden. Bislang sind der Miniaturisierung durch die starke Hitzeentwicklung Grenzen gesetzt.

Informationsübertragung bei Raumtemperatur

Bislang haperte es allerdings daran, dass die Informationsübertragung in den antiferromagnetischen Isolatoren nur bei niedrigen Temperaturen funktionierte. Und niemand möchte sein Smartphone in die Tiefkühltruhe verfrachten müssen, um es nutzen zu können. Dieses Manko konnten Physiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) nun beseitigen, gemeinsam mit Experimentatoren des CNRS/Thales-Labors, dem CEA Grenoble und des Nationalen Hochfeldlabors in Frankreich sowie Theoretikern des Zentrums für Quantenspintronik (QuSpin) der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie. "Wir konnten Informationen in einem üblichen antiferromagnetischen Isolator bei Raumtemperatur übertragen und verarbeiten – und das auch über ausreichend lange Strecken, um Informationsverarbeitung zu ermöglichen", sagt Andrew Ross, Wissenschaftler an der JGU. Als antiferromagnetischen Isolator nutzten die Forscher Eisenoxid (α-Fe2O3), also den Hauptbestandteil von Rost. Denn Eisenoxid ist weit verbreitet und einfach herzustellen.

Möglich wird die Informationsübertragung in den neuen Materialien durch Anregungen magnetischer Ordnung, die als Magnonen bekannt sind. Diese bewegen sich als Wellen durch magnetische Materialien – ähnlich wie sich Wellen über die Wasseroberfläche eines Teichs bewegen, nachdem ein Stein hineingeworfen wurde. Bisher nahm man an, dass diese Wellen eine kreisförmige Polarisation haben müssen, damit sie Informationen effizient übertragen können. In Eisenoxid kommt eine solche zirkulare Polarisation jedoch nur bei niedrigen Temperaturen vor. Das internationale Forscherteam konnte Magnonen jedoch auch bei Raumtemperatur über außergewöhnlich große Entfernungen übertragen. Wie konnte das gelingen? "Wir haben herausgefunden: In Antiferromagneten mit einfacher Ebene können sich zwei Magnonen mit linearer Polarisation überlagern und gemeinsam wandern – sie ergänzen sich zu einer annähernd zirkularen Polarisation", erläutert Dr. Romain Lebrun, Forscher am CNRS/Thales-Labor in Paris und früherer Mitarbeiter in Mainz. "Die Möglichkeit, Rost auch bei Raumtemperatur verwenden zu können, macht ihn zu einem idealen Spielplatz für die Entwicklung ultraschneller spintronischer Geräte auf der Basis antiferromagnetischer Isolatoren."

Extrem niedrige Dämpfung – und somit energieeffiziente Übertragung

Eine wichtige Frage bei der Informationsübertragung: Wie schnell gehen die Informationen verloren, wenn sie sich durch magnetische Materialien bewegen? Quantitativ erfassen lässt sich dies mit dem Wert der magnetischen Dämpfung. "Das untersuchte Eisenoxid weist eine der niedrigsten magnetischen Dämpfungen auf, über die jemals in magnetischen Materialien berichtet wurde", erläutert Prof. Dr. Mathias Kläui von der JGU. "Wir gehen davon aus, dass Techniken mit hohem Magnetfeld zeigen werden, dass andere antiferromagnetische Materialien eine ähnlich niedrige Dämpfung aufweisen, was für die Entwicklung einer neuen Generation von spintronischen Geräten von entscheidender Bedeutung ist. Solche energiesparenden Ansätze werden von uns in einer langfristigen Zusammenarbeit mit QuSpin in Norwegen verfolgt und ich freue mich, dass eine weitere spannend Arbeit aus dieser Kollaboration hervorgegangen ist."

Die Forschung wurde als Artikel in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln des Forschungs- und Innovationsprogramms "Horizont 2020" der Europäischen Union, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des norwegischen Forschungsrats.