Neues Forschungsprojekt zur römischen Kantate als Ausdrucksmedium des Adels

Musikwissenschaftler der Universitäten Mainz und Zürich untersuchen Kantaten und ihre zentrale Bedeutung für die römische Adelsmusikkultur des Barock / Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung

08.09.2010

An den Musikwissenschaftlichen Instituten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Universität Zürich startet am 1. Oktober ein neues, von der Fritz Thyssen Stiftung finanziertes Forschungsprojekt mit dem Titel "Die Kantate als aristokratisches Ausdrucksmedium im Rom der Händelzeit (ca. 1695-1715)". Die Kantate war eine in Rom weit verbreitete musikalische Gattung. "So hat beispielsweise Georg Friedrich Händel von 1707 bis 1709 eine Vielzahl von Kantaten für römische Auftraggeber geschrieben", erklärt Dr. Berthold Over vom Musikwissenschaftlichen Institut in Mainz. "Sein Oeuvre soll im Rahmen des Projekts in einem größeren musikalischen und ideengeschichtlichen Kontext neu bewertet werden." Die Forschungsarbeiten laufen über zwei Jahre und werden von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt.

Mit der Kantate fokussiert das Projekt eine Gattung, deren zentrale Bedeutung für die römische Adelsmusikkultur des Barock ebenso unbestritten wie in zentralen Details ungeklärt ist. Aufgrund der schieren Fülle des musikalischen Materials beschränkte sich die Erforschung bisher vor allem auf die Quellenerschließung und das Schaffen vereinzelter Exponenten wie Georg Friedrich Händel. Eine Beschäftigung mit dem Repertoire im Lichte der jüngeren interdisziplinären Rom- und Adelsforschung fand praktisch nicht statt. Hier setzt das Projekt an und zielt darauf ab, die römische Kantate in ihrer Funktion als adliges Ausdrucksmedium zu verstehen.

Konkret erfolgt dies anhand der Kantatenrepertoires, die für vier wichtige römische Mäzene um 1700 entstanden sind: Kardinal Benedetto Pamphilj (1653-1730), Kardinal Pietro Ottoboni (1667-1740), Kardinal Carlo Colonna (1665-1739) und Fürst Francesco Maria Ruspoli (1672-1731). Neben Kompositionen bekannter Komponisten wie etwa Alessandro Scarlatti und Antonio Caldara werden im Projekt auch solche unbekannten Komponisten wie Carlo Francesco Cesarini, Flavio Carlo Lanciani oder Severo de Luca teilweise erstmals untersucht. Diese Gesamtschau verspricht einen grundlegenden Erkenntnisgewinn zu Rolle und Funktion der Kantate in ihrem spezifischen Kontext und trägt damit letztlich auch zu einem besseren Verständnis von Händels Kantatenschaffen bei.

Das Projekt wird in Kooperation der Musikwissenschaftlichen Institute der Universitäten Mainz und Zürich durchgeführt und von Prof. Dr. Klaus Pietschmann (Mainz) und Prof. Dr. Laurenz Lütteken (Zürich) geleitet. Die beiden Mitarbeiter, Dr. Berthold Over und Magdalena Boschung M.A., werden vor allem in Mainz tätig sein.