Neues Forschungsprojekt beleuchtet Finanzkompetenz der Deutschen

Forschungsnetzwerk analysiert "Financial Literacy" im internationalen Vergleich

23.04.2013

Die Fähigkeit, das eigene Geld gut zu verwalten, ist in Deutschland wenig entwickelt. Ältere Anleger gehen an der Börse hohe Risiken ein und verlieren mitunter das Geld für ihre Altersvorsorge, Jugendliche häufen Handyschulden an, die sie nicht mehr ohne Hilfe begleichen können, Verbraucher befriedigen ihre Bedürfnisse auf Kredit mit oft zu hohen Zinsen. "Deutschland ist in Sachen Finanzkompetenz ein weißer Fleck auf der Landkarte", so Prof. Dr. Klaus Breuer, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Dies hat negative Folgen nicht nur für den einzelnen Betroffenen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft. Studien zeigen, dass besonders junge Erwachsene Orientierung benötigen, um mit ihrem Geld klarzukommen. Erstmals wird nun in einem internationalen Forschungsprojekt untersucht, welche Merkmale für die Ermittlung von Finanzkompetenz wichtig sind, um auf dieser Basis internationale Vergleichsstudien zu initiieren. Das Projekt wird von Prof. Dr. Klaus Breuer und seinem indischen Kollegen Prof. Sunil Behari Mohanty geleitet und ist von der World Education Research Association (WERA) eingerichtet worden.

Die Einstellung, dass man nicht über Geld spricht, scheint in Deutschland nach den Worten von Breuer nicht nur im gesellschaftlichen Austausch, sondern auch in unserem Bildungssystem tief verankert zu sein. In den Schulen wird selbstverantwortliches Wirtschaften, wenn überhaupt, als fächerübergreifendes Prinzip betrachtet, häufig überhaupt nicht behandelt. Die Problematik der weitverbreiteten Ignoranz zeigt sich nicht zuletzt in der Verschuldung, die gerade unter jungen Erwachsenen in der letzten Dekade erheblich zugenommen hat. Nach Angaben des Bankenverbands waren im Jahr 2012 rund 8 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren überschuldet, wobei dies nur die öffentlich bekannte Überschuldung umfasst, wohingegen sich viele Jugendliche Geld im privaten Umfeld, in der Familie oder bei Freunden leihen.

Ist die Situation in anderen Ländern vergleichbar? Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts "Financial Literacy – a 21st Century Skill" wird nun eine Basispublikation erarbeitet, das "First International Handbook on Financial Literacy". Es soll 2014 erscheinen und die Situation in verschiedenen Ländern widerspiegeln. Anfänglich beteiligen sich neben Deutschland und Indien Forschende in den USA, Großbritannien, der Schweiz, Australien und Singapur an dem internationalen Forschungsnetzwerk. In einem parallelen Schritt werden die zunächst sieben Teilnehmer lokale Studien durchführen, die aufeinander abgestimmt sind, um die Ergebnisse vergleichen zu können. Bei der Jahrestagung der US-Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 27. April bis 1. Mai 2013 in San Francisco werden die Initiatoren das neue Projekt vorstellen und versuchen, weitere Länder als Partner zu gewinnen.

"Im internationalen Vergleich können wir sehen, was andere Länder anders machen und von ihnen lernen", so Breuer mit einem Hinweis auf Singapur, wo Altersvorsorge bereits in Schulen ein Thema ist. Aufgrund von Pilotstudien an seinem Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik weiß Prof. Dr. Klaus Breuer bereits, dass es für künftige Anforderungen in Sachen "ökonomische Bildung" nicht ausreichen wird, nur Wissen zu vermitteln. "Pure Wissensvermittlung ist nicht genug. Wir müssen zum Beispiel auch die Einstellung der Jugendlichen zu Geld und seiner Funktion als Macht- und Statussymbol in den Blick nehmen." Wenn Familien mit ihrem Geld produktiv umgehen, schlägt sich dies auf die gesamte Volkswirtschaft positiv nieder. "Finanzkompetenz heißt, dass jeder seine finanziellen Ressourcen so verwaltet, dass er seine individuellen Verwirklichungschancen fördert und Armut verhindert", so Breuer. "Gesellschaftlich gesehen geht es beim Thema Finanzkompetenz um die Ertragskraft unseres Wirtschaftssystems."