Nannen Preis 2019 für Tanjev Schultz

Journalistik-Professor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz für Berichterstattung über NSU-Prozess geehrt

27.05.2019

Prof. Dr. Tanjev Schultz vom Journalistischen Seminar/Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist vorgestern in Hamburg mit drei weiteren Autoren der "Süddeutschen Zeitung" mit dem Sonderpreis der "Stern"-Chefredaktion im Rahmen des "Nannen Preises" geehrt worden. Nach Angaben von Gruner + Jahr, dem Verlag des "Stern", wurde damit die Berichterstattung über den NSU-Prozess in den Jahren 2013 bis 2018 gewürdigt. "Der NSU-Prozess hat deutsche Nachkriegsgeschichte geschrieben. Annette Ramelsberger, Rainer Stadler, Wiebke Ramm und Tanjev Schultz haben ihn vom ersten bis zum letzten Tag begleitet und in der Süddeutschen Zeitung vorbildlich aufbereitet. Mit dem Sonderpreis möchten wir diese herausragende Leistung auszeichnen", sagt Florian Gless, Chefredakteur des "Stern". Die vier Autoren hatten in 500 Beiträgen in der "Süddeutschen Zeitung" über den Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) berichtet. In dem Prozess ging es um zehn Morde, 15 Raubüberfälle und zwei Bombenattentate. Fünf Angeklagte, 14 Verteidiger, rund 90 Nebenkläger und mehr als 600 Zeugen waren beteiligt. „Ich wünsche mir, dass der Preis dazu beiträgt, dass die schreckliche Geschichte des NSU und das Leiden der Opfer nicht vergessen wird“, sagt Schultz. "Ich freue mich aber auch deshalb sehr über die Auszeichnung, weil sie eine Form des Journalismus würdigt, die ich meinen Studierenden vermitteln möchte: mit langem Atem recherchieren und berichten, im Team arbeiten, vor komplexen Themen nicht kapitulieren."

Der Nannen Preis gilt als die bedeutendste Ehrung für Journalisten in Deutschland. Mit ihm werden jährlich in sieben Kategorien herausragende journalistische Leistungen in Wort und Bild ausgezeichnet. Darüber hinaus kann die Chefredaktion des "Stern" einen Sonderpreis für eine außerordentliche journalistische Leistung vergeben. "Damit möchten wir auch an die Vorverurteilungen der Opferfamilien erinnern, die von Medien weiterverbreitet wurden. Auch das zählt dazu, wenn wir in diesem Jahr beim Nannen Preis besonderen Wert auf Transparenz und Fehlerkultur legen", sagt Gless. Dass diese Absicht zurzeit besonders berechtigt ist, kann Schultz auch aufgrund seiner Arbeit an der JGU bestätigen: "Die Organisatoren des Nannen Preises haben die Verleihung in diesem Jahr mit einem Tag des Journalismus verbunden und einem allgemeinen Publikum Einblicke ins journalistische Arbeiten ermöglicht. Das passt prima zu der Forschung, die ich hier an der Universität mit Kollegen betreibe. Wir untersuchen das Vertrauen der Menschen in den Journalismus und haben zuletzt eine wachsende Entfremdung feststellen müssen. Umso wichtiger sind Offenheit und Transparenz der Redaktionen – und hohe journalistische Qualität."

Tanjev Schultz, geboren am 13. Mai 1974 in Berlin, studierte Philosophie, Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin, der FernUniversität in Hagen und der School of Journalism der Indiana University in Bloomington (USA). Er promovierte an der Universität Bremen in Politikwissenschaft und war mehr als zehn Jahre Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", bis er 2016 die Professur an der JGU übernahm. Er erhielt bereits mehrere Journalistenpreise, unter anderem den Goethe-Medienpreis der Goethe-Universität Frankfurt am Main für Artikel über die Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er ein rund 600 Seiten starkes Buch zum NSU-Prozess: "NSU – Der Terror von rechts und das Versagen des Staates".