Mainzer Wissenschaftler identifizieren Protein, das der Zelle beim Abbau unlöslicher Proteine hilft
08.02.2011
Im Gehirn von Patienten mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Amyotrophe Lateralsklerose findet man ungewöhnliche Ansammlungen von Proteinen. Solche Aggregate unlöslicher Proteine können von der Zelle nicht mehr abgebaut oder degradiert werden und werden für den Verlust von Gehirnzellen mitverantwortlich gemacht. In der Frage, wie der Abbau schädlicher Proteine in Nervenzellen reguliert ist und ob sich dieser Prozess im Laufe der Alterung verändert, ist die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Christian Behl im Institut für Pathobiochemie der Universitätsmedizin Mainz jetzt einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Die Wissenschaftler konnten ein Protein identifizieren, das in der Zelle für den Abbau vorgesehene Eiweiße sortiert, sie sammelt und der Degradation zuführt - und damit der Zelle hilft, sich ihrer zu entledigen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich online in EMBOreports veröffentlicht.
Proteinaggregate sind nicht nur bei der Alzheimer-Erkrankung, sondern in ähnlicher Form auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen zu finden, etwa bei der Parkinsonschen Krankheit, der Amyotrophen Lateralsklerose und bei Chorea Huntington. All diese Erkrankungen verlaufen stark abhängig vom Alter der Patienten. Die Frage zu klären, wie der Abbau von Proteinen in Nervenzellen vonstatten geht und wie er sich im Laufe der Alterung verändert, ist daher von essenzieller Bedeutung.
Die Degradation von Proteinen genau wie deren Faltung und Rückfaltung wird in der Zelle mithilfe von sogenannten Chaperonen bewerkstelligt, die in ihrer Aktivität wiederum von den Co-Chaperonen moduliert werden. Wenn ein Eiweiß abgebaut werden muss, hat die Zelle zwei Möglichkeiten: Unter Normalbedingungen erfolgt die Degradation über das sogenannte Proteasom. Bei akutem Stress hingegen, der einen erhöhten Spiegel geschädigter Proteine nach sich zieht, nutzt sie vermehrt die Autophagie, bei der auch bereits aggregierte Eiweiße effizient abgebaut werden können. Das Umschalten zwischen diesen beiden Mechanismen geschieht durch die Regulation der Co-Chaperone BAG1 und BAG3.
Die Arbeitsgruppe um Behl konnte bereits im Jahr 2009 zeigen, dass genau diese Steuerung abläuft, wenn Neuronen altern: Während in jungen Nervenzellen ein hoher BAG1-Spiegel für die vornehmlich proteasomale Degradation von Proteinen sorgt, stimuliert in gealterten Neuronen ein hohes Niveau an BAG3 den Autophagie-Weg. Die Zelle passt das Verhältnis von BAG1 und BAG3 dem oxidativen, für die Eiweiße toxischen Milieu an, das mit der Alterung einhergeht. Der hier erstmals beschriebene Autophagie-Abbauweg wurde als "BAG3-vermittelte selektive Autophagie" bezeichnet. In ihrem aktuellen Artikel in EMBOreports konnten die Mainzer Wissenschaftler die Funktion von BAG3 auf molekularer Ebene weiter aufklären und einen neuen Mechanismus beschreiben, der verständlich macht, wie die Proteine, die für einen Abbau vorgesehen sind, erkannt und aussortiert werden.
Damit defekte Proteine auf dem Autophagie-Weg degradiert werden können, werden sie zunächst innerhalb der Zelle in einer speziellen Struktur, dem Aggresom, gesammelt. Der Transport dorthin erfolgt entlang des Mikrotubuli-Netzwerks durch das Motorprotein Dynein. Wie dies im Detail funktioniert und wie spezifisch nur die für den Abbau bestimmten Proteine dorthin dirigiert werden, war bislang weitgehend unklar. Jetzt konnten die Mainzer Wissenschaftler BAG3 als diejenige Komponente identifizieren, die fehlgefaltete Proteine von dem Chaperon Hsp70, das sie als solche erkennt, auf das Dynein transferiert.
"Dass wir unsere Ergebnisse prinzipiell in einem Modell der Amyotrophen Lateralsklerose bestätigen konnten, zeigt uns deren physiologische Relevanz für den Abbau krankheitsassoziierter Proteine", erklärt Prof. Dr. Christian Behl. "In einem nächsten Schritt können wir daran denken, über die Steuerung der Abbauprozesse das Überleben von Neuronen zu fördern und haben damit einen neuen experimentellen Ansatz zur Prävention altersassoziierter neurodegenerativer Krankheiten."