Medienvertrauen sinkt moderat und nähert sich weiter dem Zustand vor der Corona-Krise an

Vertrauen in öffentlich-rechtlichen Rundfunk stabilisiert sich, insgesamt nimmt aber Entfremdung von Medien in der Bevölkerung leicht zu

17.04.2024

Im Jahr 2023 ist das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Medien erneut leicht gesunken und nähert sich dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Das traditionell hohe Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das im Jahr zuvor auf den bisher niedrigsten Stand in der Langzeitstudie Medienvertrauen gerutscht war, geht nicht weiter zurück: 64 Prozent halten das öffentlich-rechtliche Fernsehen für vertrauenswürdig, im Vorjahr waren es 62 Prozent. Der Anstieg liegt im Rahmen der Fehlertoleranz und sollte deshalb nicht überinterpretiert werden. Im Pandemie-Jahr 2020 lag der Wert bei 70 Prozent, in den Jahren 2016 bis 2019 schwankte er zwischen 65 und 72 Prozent.

In der Corona-Pandemie ging der akut gestiegene Informations- und Orientierungsbedarf mit größerem Vertrauen in die Informationsleistungen des deutschen Mediensystems einher. Ein solcher Effekt lässt sich derzeit für die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine oder in Israel und Gaza nicht beobachten. Alles in allem ist das Medienvertrauen der Bevölkerung im Jahr 2023 auf das Niveau der Zeit vor der Corona-Pandemie zurückgegangen: In der aktuellen Umfrage stimmten 44 Prozent der folgenden Aussage "eher" oder "voll und ganz" zu: "Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen –, kann man den Medien vertrauen." Ein Jahr zuvor hatte die Zustimmung bei 49 Prozent gelegen, am Ende des Corona-Jahres 2020 bei 56 Prozent. Vor der Corona-Krise lag der Wert im Jahr 2019 bei 43 Prozent.

Die Langzeitstudie Medienvertrauen wird seit dem Jahr 2015 von einem Forschungsteam des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Instituts für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt. Die Datenerhebung wird seit 2022 von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziell unterstützt. Erste Ergebnisse der neuen Erhebung sind jetzt in der Fachzeitschrift Media Perspektiven erschienen. Sie basieren auf einer repräsentativen Telefon-Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Verian (vormals Kantar) im November und Dezember 2023 für das Forschungsteam umgesetzt hat. Befragt wurden 1.200 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren. Die statistische Fehlertoleranz beträgt maximal 3 Prozentpunkte.

Medien im Vergleich zu anderen Institutionen im Mittelfeld

Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Institutionen schneiden die Medien beim Vertrauen – wie in vorangegangenen Wellen – nicht besonders schlecht ab, eher im Mittelfeld. Im Jahr 2023 vertrauten 44 Prozent der Menschen in Deutschland den Medien. Diese liegen damit deutlich vor der Politik und den unter anderem durch Missbrauchsskandale in die Krise geratenen Kirchen (jeweils 17 Prozent) sowie vor den Unternehmen (18 Prozent). Die Bundeswehr schloss 2023 hingegen erstmals zu den Medien auf (43 Prozent). Vor den Medien lagen die Justiz (59 Prozent) und die Wissenschaft (69 Prozent).

Etablierte Medien als Hauptadressaten des Vertrauens

Die meisten Menschen nennen etablierte Medien, wie die öffentlich-rechtlichen Sender, regionale oder überregionale Zeitungen, wenn sie offen danach gefragt werden, welchem Medienangebot sie für Informationen besonders vertrauen. Bei den offenen Antworten (ohne Antwortvorgaben) werden am häufigsten der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder dessen einzelne Sendeanstalten oder Sendungen (wie die Tagesschau) genannt, zudem Nachrichtenmagazine wie Spiegel und Focus sowie Tages- und Wochenzeitungen wie SZ, ZEIT und FAZ sowie die jeweiligen Lokal- und Regionalzeitungen. Private Rundfunkangebote werden dagegen selten genannt. Auch sogenannte (rechts-)alternative Medien werden bei der offenen Abfrage nur selten genannt.

Medienzynismus: Extreme Medienkritik erreicht Niveau vor der Pandemie

Im Vergleich zur Corona-Zeit ist der Anteil an Menschen, die kritisch bis feindselig auf die etablierten Medien blicken – die Kommunikationswissenschaft spricht hier von Medienzynismus –, erneut leicht gestiegen: 17 Prozent bejahten die Aussage, die Bevölkerung in Deutschland werde "von den Medien systematisch belogen" (Vorjahr: 14 Prozent). Im Corona-Jahr 2020 hatte die Zustimmung bei 11 Prozent gelegen, in den Jahren vor der Pandemie zwischen 13 und 19 Prozent. In der aktuellen Befragung wiesen 60 Prozent den "Lügenpresse"-Vorwurf zurück, im Jahr 2020 waren es 66 Prozent, in den Jahren vor der Pandemie jeweils weniger als 60 Prozent.

Ebenfalls gestiegen ist die Zustimmung zur Aussage: "Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren." In der aktuellen Umfrage stimmten 23 Prozent zu, 2022 waren es 21 Prozent, 2020 nur 15 Prozent. In den Jahren vor der Pandemie lag die Zustimmung zwischen 20 und 27 Prozent.

Medienentfremdung – zwischen Alltagswelt und Medienwelt

Kritik an den Medien und ausbleibendes Vertrauen kann vielfältige Ursachen haben. Eine davon ist eine wahrgenommene Entfremdung zwischen der "Welt der Medien" und der Alltagswelt, in der sich die Menschen in Deutschland wiederfinden. Im Jahr 2023 gaben 22 Prozent der Befragten an, dass die Meinungen, die in den Medien vertreten würden, ganz andere seien als die eigenen. Für weitere 45 Prozent traf dies zumindest teilweise zu. Ebenso nimmt ein beträchtlicher Teil der Menschen in Deutschland (31 Prozent) die gesellschaftlichen Zustände "ganz anders wahr", als sie von den Medien dargestellt würden (weitere 32 Prozent sagen, das sei teilweise der Fall).  Mit ihren Themen nicht ernst genommen fühlen sich ein Viertel der Befragten. Weitere 29 Prozent sehen das zumindest zum Teil so. Betrachtet man die verschiedenen Indikatoren zusammen, so ist die Entfremdung gegenüber dem Vorjahr leicht gewachsen und bewegt sich auch hier auf das Niveau vor der Pandemie zu.

Zur Studie

Die langfristig angelegte Studie zum Medienvertrauen basiert auf mehr als einem Jahrzehnt kommunikationswissenschaftlicher Vertrauensforschung am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Mittelpunkt stehen repräsentative Befragungen, die die Entwicklungen, Ursachen und Folgen des Vertrauens erheben.

Zum Forschungsteam gehören aktuell Prof. Dr. Nayla Fawzi, Prof. Dr. Nikolaus Jackob, Dr. Ilka Jakobs, Prof. Dr. Oliver Quiring, Prof. Dr. Christian Schemer, Prof. Dr. Tanjev Schultz, Daniel Stegmann M.A., Dr. Christina Viehmann und Prof. Dr. Marc Ziegele.

Die Studie wird seit 2022 von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt. Die Unterstützung dient dazu, die Kosten des Umfrage-Dienstleisters Verian (vormals Kantar Public) zu tragen. Die Konzeption der Fragebögen und die Auswertung der Daten liegen in Händen des Forschungsteams. Erste Ergebnisse der aktuellen Erhebung sind in der Zeitschrift Media Perspektiven erschienen.