Mainzer Forscher entschlüsseln Geheimnis um infektiöse Darmerkrankung

Chance auf innovativen Therapieansatz

05.03.2007

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Gießen, Maribor und der Mainzer Firma Proteosys ein weiteres Rätsel um eine bakterielle Darmerkrankung entschlüsselt, von der jeder, insbesondere nach Antibiotikaeinnahme, betroffen sein kann. Die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Christoph von Eichel-Streiber vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der JGU und Prof. Dr. Hansjörg Schild, Leiter des Instituts für Immunologie, eröffnen den Zugang zu einer vollkommen neuen Form der Behandlung dieser infektiösen Darmerkrankungen ohne den Einsatz von Antibiotika. Das Wissenschaftsjournal Nature publiziert in seiner aktuellen Ausgabe die Ergebnisse.

Clostridium difficile ist ein Darmbakterium, das im Darm Giftstoffe, sogenannte Toxine, freisetzt, die anfänglich Durchfälle und im weiteren Verlauf schwerwiegende Dickdarmentzündungen insbesondere in Zusammenhang mit der Einnahme von Antibiotika hervorruft. Erst Ende der 1970er-Jahre identifiziert, wird seit den 1990er-Jahren Clostridium difficile als der bedeutendste Krankenhauskeim der entwickelten Länder angesehen. Als Konsequenz des sich ausweitenden Einsatzes von Breitbandantibiotika steigt die Zahl von Infektionen, die auf diesen Keim zurückgehen, vor allem bei stationär behandelten Patienten weiter stetig an. Aus einer im Jahr 2002 veröffentlichten Studie geht hervor, dass über 17 Prozent aller Patienten, die für mehr als zwei Tage stationär im Krankenhaus behandelt wurden und eine Antibiotikatherapie bekamen, Durchfälle entwickelten, die mit Clostridium difficile in Verbindung gebracht wurden. Dieser Keim ist demnach die Ursache für rund 20 Prozent aller Antibiotika-assoziierten Durchfälle, 75 Prozent aller Antibiotika-assoziierten Dickdarmentzündungen und 100 Prozent aller Pseudomembranösen Colitis Fälle, eine spezifische Form der Dickdarmentzündung. In Kanada und den USA treten seit 2005 gehäuft Varianten des Erregers auf, die als deutlich gefährlicher als die bisherige isolierten Bakterien eingeschätzt werden.

"Bis zuletzt war unklar, wie die von Bakterien im Darm freigesetzten Toxine aktiviert werden, um ihre zellschädigende Wirkung zu entfalten", erklärt Prof. Dr. Christoph von Eichel-Streiber. "Die Aufgabe bestand also darin, den Weg der Toxine, insbesondere deren giftiger Bruchstücke, in die Zelle hinein aufzuklären". Die beiden Mainzer Arbeitsgruppen haben mit dieser Fragestellung ihre gemeinsamen Arbeiten begonnen. "Wir in der Immunologie waren in der glücklichen Lage, ein brandneues Massenspektrometer für das Projekt einsetzen zu können", berichtet Prof Dr. Hansjörg Schild. In den beiden Arbeitsgruppen gelang es schließlich, das Geheimnis des Aufnahmeprozesses zu entschlüsseln. Nach den Ergebnissen der Mainzer Forscher sind Inositolphosphate aus dem Innern der Zelle überraschenderweise die Ursache für die Abspaltung des giftigen Bruchstücks der Toxine in befallenen Zellen. "Dies ist das erste Beispiel eines bakteriellen Toxins, das zur Abspaltung somit kein zelluläres Enzym, sondern niedermolekulare Faktoren der betroffenen Zelle benutzt", erklärt Eichel-Streiber.

Chance auf innovativen Therapieansatz

Diese neuen Daten eröffnen nun die Chance auf einen innovativen Therapieansatz: "Jetzt kann erstmals eine Behandlung von Clostridium difficile Erkrankungen entwickelt werden – ganz ohne Antibiotika einzusetzen", erklärt Schild.

Die beiden Mainzer Arbeitsgruppenleiter danken ausdrücklich der Stiftung Innovation Rheinland-Pfalz und dem Landesexzellenzcluster Immunintervention für deren Förderung und betonen, dass der mit der Publikation nach außen dokumentierte Erfolg des Projekts ansonsten undenkbar gewesen sei.

"Diese brillanten Forschungsergebnisse dokumentieren erneut die Stärke des Fachbereichs Medizin, die auch aus den vielfältigen Kooperation der Einrichtungen untereinander resultiert", erklärt der Dekan des Fachbereichs Medizin, Prof. Dr. Reinhard Urban. "Wir präsentieren diesen Erfolg mit gewissem Stolz, zeigt er doch, dass die Forschungsgelder und Investitionen, die in die Mainzer Medizin fließen, gut platziert sind und in wesentlichem Maße zu unserer internationalen Reputation beitragen."