Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler beleuchten aus verschiedenen fachlichen Perspektiven die Erinnerung an Krieg aus 2.000 Jahren Mainzer Stadtgeschichte
02.11.2021
Durch Mainz führt ein neuer Stadtrundgang, der Krieg und Kriegserinnerungen zum Thema hat und sich an acht Stationen auf ganz unterschiedliche Weise damit auseinandersetzt. Die Besucherinnen und Besucher können von der ersten Station an der Christophskirche bis zur letzten Station am Fanshop des 1. FSV Mainz 05 die Domstadt aus einem neuen Blickwinkel entdecken: Sie kommen an Orte, die zeigen, wie unterschiedlich an Krieg erinnert wird, und folgen den Spuren der langen, seit römischer Zeit stark militärisch geprägten Geschichte der Stadt. Der Stadtrundgang wurde von Doktorandinnen und Doktoranden der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) entworfen und umgesetzt. Die Stationen können einzeln besucht oder bei einem Rundgang von etwa fünf Kilometer Länge miteinander verbunden werden. Eine 50-seitige Broschüre begleitet den historischen Stadtspaziergang und zeigt Geschichte und Hintergründe der einzelnen Denkmäler auf.
Bekannte Orte neu entdecken
Einen neuen Blickwinkel auf eine – scheinbar – so vertraute Stadt und ihre Plätze, dies möchte der neue Stadtrundgang vermitteln. Elf Promovierende des Graduiertenkollegs 2304 "Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen" haben sich dazu in den vergangenen eineinhalb Jahren intensiv mit der Stadtgeschichte auseinandergesetzt und sie unter dem Aspekt des Themas Kriegserinnerungen betrachtet. "Mainz ist als Kastell gegründet worden. Der Stadt kam in römischer Zeit und im Mittelalter große Bedeutung zu, auch in militärischer Hinsicht", erklärt Dr. Sabine Reichert, Koordinatorin des Graduiertenkollegs. Das DFG-geförderte Graduiertenkolleg wurde 2018 eingerichtet und ist stark interdisziplinär ausgerichtet mit Promovierenden aus zehn verschiedenen Fächern von Alter Geschichte über Archäologie bis zu Musikwissenschaft.
Diese fachliche Breite spiegelt sich auch in dem Themenrundgang wider: Von der Christophskirche, einer Stätte zum Nachdenken über Krieg und einem Signal für die Bewahrung des Friedens, geht es zum Beispiel auf kurzem Weg zum nachgebildeten Dativius-Victor-Bogen, der an die Zeit der Antike erinnert, aber auch an den Beginn der Neuzeit, als antike Architekturformen Eingang in die barocke Opernszenerie fanden. Bei der Schlussstation, dem Fanshop des 1. FSV Mainz 05, geht es dann um die Darstellung von Jubiläen auf Münzen und Medaillen.
Kriegskultur statt Militärgeschichte im Fokus
"Mainz war historisch stark vernetzt und hatte eine Art Metropolstellung inne", sagt die Doktorandin Andrea Stabel. "Wir wollten die Stadt vor diesem Hintergrund nicht mit ihrer Militärgeschichte zeigen, sondern darüber hinausgehen und den Bezug zu Kriegskulturen herstellen, also einen größeren Bogen schlagen. Krieg ist mehr als die reine Kriegshandlung und kann alle Bereiche einer Kultur berühren." Dementsprechend werden Denkmäler nicht im herkömmlichen Sinn aufgefasst, beispielsweise als Statuen, sondern als Erinnerungsorte. Mit ihrem Rundgang durch Mainz wollen die Promovierenden nach eigener Darstellung Orte erschließen, die erst auf den zweiten Blick zeigen, dass zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich an Krieg erinnert wurde.
Interessierte, die sich auf den neuen Stadtrundgang begeben, erhalten detaillierte Informationen über einen QR-Code an den jeweiligen Stationen oder können am Startpunkt bei der Christophskirche, im Römisch-Germanischen Zentralmuseum und im Schifffahrtsmuseum die Broschüre einer Box entnehmen. Künftig sollen auch Bodenaufkleber die einzelnen Stationen anzeigen. Der Rundgang kann ab sofort besucht werden.