Kreative Aktivitäten in Deutschland: Junge Menschen sind am aktivsten

Studie zur kulturellen Eigenproduktion zeigt großes Engagement der 15- bis 25-Jährigen / Malen, Zeichnen, Musizieren und Fotografieren am beliebtesten

05.09.2024

Wie kreativ ist Deutschland? Befragungen aus den Jahren 2018 und 2021 zufolge sind Kunsthandwerk, Fotografie sowie Malen und Zeichnen die mit Abstand beliebtesten kreativen Aktivitäten der Bevölkerung in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene sind über nahezu alle abgefragten Bereiche hinweg am aktivsten. Beim Vergleich der beiden Erhebungszeitpunkte lassen sich keine systematischen Veränderungen in der Ausübungshäufigkeit der Hobbys feststellen. Eine Ausnahme bildet das Tanzen, das während der Corona-Pandemie von der Mehrheit der Tanzbegeisterten reduziert oder eingestellt wurde. Dies ist ein Ergebnis der Langzeitstudie "Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland", die am Institut für Soziologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) angesiedelt ist. Die Studie nimmt neben dem außerhäuslichen und medialen Konsum kultureller Produkte und Dienstleistungen auch die nicht-professionelle Eigenproduktion von Kultur in den Blick. Dazu zählt eine Vielzahl künstlerisch-kreativer Aktivitäten, beispielsweise kunsthandwerkliche Tätigkeiten, Malen und Zeichnen, Fotografie, das Spielen eines Instruments, die Produktion von Filmen und Videos, Singen oder Tanzen.

Kultur- und Freizeitverhalten umfassend erforscht

Die Studie "Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland" liefert bevölkerungsrepräsentative Daten zum Kultur- und Freizeitverhalten der Bevölkerung Deutschlands. Das Projekt, das unter Leitung von Professor Dr. Gunnar Otte durchgeführt wird, startete im Jahr 2018 mit einer Basisumfrage von 2.592 Personen ab 15 Jahren in 183 deutschen Gemeinden. Im Rahmen einer sogenannten Panelbefragung konnten 1.541 Befragte im Jahr 2021 erneut gewonnen werden. Zusätzlich wurden 914 Personen neu befragt, um die verringerten Fallzahlen zu kompensieren. Im Fokus der persönlich-mündlich oder telefonisch durchgeführten Interviews standen die kulturellen Vorlieben und rezeptiven Aktivitäten der Menschen in den Sparten Musik, Literatur, Film, Videospiel, bildende und darstellende Kunst. Daneben gaben die Befragten Auskunft darüber, wie regelmäßig sie außerhalb von Schule und Beruf selbst kreativ werden. Konkret wurde nach dem Spielen eines Musikinstruments, Singen, Tanzen, Theaterspielen, dem Verfassen literarischer Texte, Malen und Zeichnen, Kunsthandwerk, Fotografie, dem Produzieren von Filmen und Videos sowie kreativen Computerarbeiten gefragt. Im Jahr 2025 wird die Studie um eine weitere Befragungswelle ausgebaut. Unter anderem soll ermittelt werden, ob sich das außerhäusliche Kulturverhalten nach der Pandemie wieder normalisiert hat.

Kunsthandwerkliche Arbeiten sind beliebtestes kreatives Hobby

Kunsthandwerkliche Aktivitäten, wie textile Handarbeiten, Töpfern, Holzarbeiten oder Basteln, sind die beliebtesten künstlerisch-kreativen Hobbys. Rund ein Viertel der Befragten gab 2018 und 2021 an, mindestens einmal im Monat Kunsthandwerkliches zu gestalten. Auch mit künstlerischem Anspruch zu fotografieren und Fotos zu bearbeiten sowie Malen und Zeichnen sind populäre Hobbys der Deutschen: Zwischen 15 und 18 Prozent der Befragten beschäftigen sich mindestens monatlich mit Fotografie oder Malerei beziehungsweise Zeichnen. Theater spielen, literarische Texte verfassen, Filme und Videos produzieren sowie kreative Computerarbeiten sind Aktivitäten, die von einem geringeren Anteil der Bevölkerung regelmäßig ausgeübt werden.

Aktivitäten während Corona-Pandemie auf stabilem Niveau

Hat die Corona-Pandemie einen Kreativitätsschub ausgelöst oder die Menschen inaktiv gemacht? Den vorliegenden Daten zufolge hat es während der Pandemie weder eine Zu- noch eine Abnahme der überwiegend daheim vollzogenen kreativen Beschäftigungen gegeben. Eine Ausnahme stellt das Tanzen dar: Der Vergleich der Jahre 2018 und 2021 zeigt einen Rückgang um 9 Prozentpunkte an. Im Jahr 2018 tanzten noch 16 Prozent der Befragten mindestens einmal im Jahr, 2021 waren es nur noch 7 Prozent. Projektmitarbeiterin Annalena Röser sagt dazu: "Wir vermuten, dass die Einschränkungen im Vereinsleben und die Schließung öffentlicher Tanzstätten zur zeitweisen Reduktion oder Aufgabe des Tanzens führten. Unsere nächste Befragung im Jahr 2025 wird zeigen, ob sich das Tanzen inzwischen wieder auf vorpandemischem Niveau befindet."

Junge Menschen sind am häufigsten kreativ

Jugendliche und junge Erwachsene sind am häufigsten kreativ. Beispielsweise malen oder zeichnen über ein Drittel (37 Prozent) der 15- bis 25-Jährigen mindestens einmal im Monat und jeweils gut ein Viertel spielt ein Instrument oder fotografiert mit künstlerischem Anspruch. "Die Befunde zeigen, dass junge Leute keineswegs so inaktiv sind, wie ihnen manchmal unterstellt wird", erklärt Projektleiter Prof. Dr. Gunnar Otte. "Überrascht hat uns aber, dass sie in nahezu allen Bereichen häufiger kreativ werden als alle anderen Altersgruppen." Die einzige Ausnahme bilden kunsthandwerkliche Aktivitäten, die bei den mittleren Jahrgängen besonders verbreitet sind.

Geschlechterunterschiede in kreativer Beschäftigung

Männer und Frauen leben ihre kreative Ader der Befragung zufolge unterschiedlich aus: Deutlich mehr Frauen als Männer üben sich regelmäßig im Kunsthandwerk, im Malen beziehungsweise Zeichnen und im Tanzen. Männer spielen regelmäßiger ein Instrument und arbeiten häufiger kreativ am Computer. Die übrigen Aktivitäten werden von den Geschlechtern annähernd gleich stark ausgeübt.

Produkte der kreativen Tätigkeit werden öffentlich präsentiert

Übrigens verbleiben die Ergebnisse der kreativen Aktivitäten keineswegs immer in der Privatsphäre. Sie werden häufig über den Familien- und Freundeskreis hinaus öffentlich präsentiert. Dies gilt gerade für das Laientheaterspiel, das zwar nur ein kleiner Kreis von rund drei Prozent der Bevölkerung jährlich praktiziert. Doch zwei Drittel der schauspielerisch Engagierten führen die einstudierten Stücke einem Publikum vor. Während das Theaterspiel meist vor physisch Anwesenden stattfindet, dominiert in anderen Bereichen die Nutzung sozialer Medien für die Präsentation kreativer Produkte. "Plattformen wie Instagram und Facebook haben dazu beigetragen, dass ungefähr 40 Prozent derjenigen, die selbst Filme und Videos drehen, ihre kreativen Erzeugnisse online zeigen", erläutert Annalena Röser. Unter denjenigen, die mit künstlerischem Anspruch fotografieren, sind es 32 Prozent.

Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Die Panelstudie "Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland" wird seit 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie zur kulturellen Bildung finanziell unterstützt. Für die Interviews ist das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft zuständig, das die Befragungen im Auftrag der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchführt.