Jahr der Chemie 2003: Kernchemie auf der Suche nach neuen chemischen Elementen

Mainzer Kernchemiker liefern Ausgangsstoffe für die Herstellung von künstlichen Elementen / Targetmaterialien häufig exotisch

19.05.2003

Gold in wägbaren Mengen kann auch die moderne Wissenschaft nicht herstellen. Künstliche Elemente allerdings schon, wie zum Beispiel die leichten Transuranelemente. Vor 66 Jahren haben Forscher erstmals ein Element, das in der Natur nicht vorkommt, künstlich erzeugt: das Technetium (das "Künstliche" genannt). Seither sind über 20 Elemente von Menschenhand geschaffen worden. An den Forschungen zu den "schweren künstlichen Elementen" haben Wissenschaftler vom Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) einen maßgeblichen Anteil: Sie stellen Ausgangsstoffe für die Bildung von neuen Elementen bereit.

Bei den schweren Elementen handelt es sich um Atome, die schwerer sind als das in der Natur vorkommende Uran. Uran mit der Ordnungszahl 92 weist im Atomkern 92 positiv geladene Teilchen auf, wohingegen Wasserstoff mit der Ordnungszahl 1 das leichteste Element ist. Die neuen künstlichen Elemente reihen sich zwischen der Ordnungszahl 93 und 112 in das Periodensystem ein. Ihre Entstehung beruht auf der Fusion von Atomen, wobei ein Stoff das Ziel oder "Target" darstellt und ein anderer Stoff als Projektil verwendet wird. Beim Zusammentreffen von zwei Atomen kann durch Verschmelzungsprozesse ein neues Element entstehen. "Targets sind sehr häufig exotische Materialien", erklärt Dr. Norbert Trautmann, Leitender Akademischer Direktor am Institut für Kernchemie. "Da ist unser Institut eines der wenigen in Europa, das solche Materialien handhaben kann."

Häufig wird als Targetmaterial Curium verwendet, ein silbriges radioaktives Metall, das seinen Namen zu Ehren von Marie und Pierre Curie erhalten hat. Die hohe Radioaktivität bringt das Metall im Dunkeln zum Leuchten, bei Aufnahme in den Körper wirkt die Strahlung durch Eingriff in den Bildungsprozess der roten Blutkörperchen stark toxisch. "Curium in Makromengen kann gar nicht oder nur sehr schwer gekauft werden", erläutert Trautmann. Zehn Milligramm dürften nach seiner Einschätzung etwa eine Million Dollar wert sein. In Mainz wird mit diesen von der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt zur Verfügung gestellten Kostbarkeiten gearbeitet.

Erfolgreich waren die Kernchemiker mit ihren Targets an der Untersuchung des neuen Elements 108, Hassium, beteiligt. Beim Beschuss des Curium-Isotops 248 der Mainzer Kernchemiker mit Magnesiumionen gelang es einem internationalen Team unter der Leitung des schweizerischen Paul Scherrer Instituts, sieben Hassium-Atome herzustellen. "In der Verbindung mit Sauerstoff konnte nun nachgewiesen werden, dass das Schwermetall Hassium als Oxid ebenfalls flüchtig ist wie seine Verwandten aus der achten Gruppe des Periodensystems, Ruthenium und Osmium", so Trautmann. Damit fügte sich das neue Element 108 in die Systematik des Periodensystems ein.

Die Untersuchungen, die vorwiegend am Schwerionenbeschleuniger in Darmstadt vorgenommen werden, gehen mit immer schwereren Elementen weiter. "Aktuell sind wir beim Element 112, dem bislang schwersten bewiesenen Element", bilanziert Trautmann. Hier wollen die Forscher herausfinden, ob es sich wie Quecksilber, dem "Verwandten" im Periodensystem, verhält, oder abweichend davon wie ein Edelgas.

Die Forschung mit den schweren Elementen ist Feinstarbeit: Bei Millionen von Projektilschüssen werden nur wenige Treffer erzielt, und zudem haben die neuen Elemente kaum Bestand. Sie zerfallen innerhalb von Sekunden. Wissenschaftler spekulieren allerdings über eine "Insel der Stabilität" bei noch schwereren Elementen, die vielleicht erst nach Minuten oder sogar erst nach einigen Jahren wieder zerfallen.