Forscherteam aus Dresden und Mainz entwickelt multifunktionales Oxid: Kandidat für den Quantencomputer der Zukunft

BaBiO3 verbindet verschiedene, auf den ersten Blick sich widersprechende Eigenschaften / Topologischer Isolator kombiniert mit Supraleitung

02.10.2013

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben einen möglichen Kandidaten für den Quantencomputer der Zukunft ermittelt. Aufgrund von Berechnungen gehen sie davon aus, dass die Verbindung BaBiO3, eine Keramik, die beiden Eigenschaften besitzt, die man für einen Quantencomputer benötigt, nämlich sowohl die Eigenschaften eines topologischen Isolators als auch die eines Supraleiters. Die Forschungsarbeiten wurden von einem Team aus Dresdner und Mainzer Wissenschaftlern um den theoretischen Physiker Dr. Binghai Yan und die Experimentalchemiker Prof. Dr. Martin Jansen und Prof. Dr. Claudia Felser durchgeführt und im renommierten Forschungsmagazin Nature Physics veröffentlicht. "Jetzt werden wir versuchen, das mit Elektronen dotierte BaBiO3 zu synthetisieren", kündigte Jansen an.

Das Design neuer Materialien am Computer, noch bevor sie im Labor hergestellt werden, ist ein hochaktuelles Arbeitsgebiet. Das computerbasierte Design trägt dazu bei, neue Materialien mit speziellen Eigenschaften sehr viel schneller sowie kosten- und ressourcenschonend zu identifizieren. Die theoretischen Vorhersagen sind mittlerweile sehr zuverlässig.

Seit einiger Zeit interessieren sich Materialwissenschaftler und Physiker besonders für topologische Isolatoren. Diese neue Materialklasse ist im Volumen isolierend und auf der Oberfläche metallisch – eine Besonderheit. Steht ein topologischer Isolator nun in Kontakt zu einem Supraleiter, erscheint ein mysteriöses Teilchen, das sog. Majorana-Fermion, das die Basis für einen Quantencomputer abgeben könnte, der wesentlich schneller wäre als gegenwärtige Computer. Die Suche nach diesem bisher noch unentdeckten Teilchen ist gegenwärtig ein Hot Topic in der Festkörperforschung – ursprünglich wurde es im Zusammenhang mit neuen Elementarteilchen vorhergesagt.

Seit 30 Jahren ist bekannt, dass BaBiO3 unterhalb von 30 Kelvin supraleitend wird, wenn man die Hälfte des Bariums durch Kalium ersetzt – ein sog. Hochtemperatursupraleiter. Nun wurde entdeckt, dass die Verbindung zu einem topologischen Isolator wird, wenn man sie mit Elektronen dotiert. Die Kombination der von Kalium und Elektronen dotierten BaBiO3-Verbindung in einer Funktionseinheit oder eine Ladungstrennung von BaBiO3 in einem elektrischen Feld würde theoretisch die Realisierung von Majorana-Fermionen für Quantencomputer ermöglichen.

Zusätzlich zu ihrem möglichen Einsatz in einem zukünftigen Quantencomputer können topologische Isolatoren in der Spintronik und der thermoelektrischen Energieumwandlung zur Anwendung kommen. BaBiO3 hat zudem eine doppelt so große Bandlücke wie alle anderen bekannten topologischen Isolatoren. Dies ist wichtig, um den besonderen metallischen Oberflächenzustand auch oberhalb von Raumtemperaturen zu nutzen.