Concettina Sfienti erhält Akademiepreis des Landes Rheinland-Pfalz

Mainzer Kernphysikerin für vorbildhafte Leistungen in Lehre und Forschung ausgezeichnet

01.12.2023

Prof. Dr. Concettina Sfienti vom Institut für Kernphysik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat den mit 25.000 Euro dotierten Akademiepreis des Landes Rheinland-Pfalz erhalten. Die Auszeichnung wird von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz jährlich an Persönlichkeiten vergeben, die im Bereich der Hochschulen des Landes herausragendes Engagement im Rahmen ihres Fachs gezeigt haben. Prof. Dr. Concettina Sfienti sei nicht nur eine exzellente und erfolgreiche Forscherin, so die Vorsitzende der Jury, Prof. Dr. Margret Wintermantel, in ihrer Laudatio, sondern zugleich eine begeisternde Lehrende, die durch ihren Enthusiasmus und ihr Engagement in Lehre und Öffentlichkeitsarbeit immer wieder junge Menschen für die Wissenschaft und insbesondere für ihr faszinierendes Fachgebiet begeistert. Als leidenschaftliche Experimentatorin sei sie nicht nur an Forschungsinhalten, sondern auch an der Ausprägung neuer Experimentiertechniken sowie an der möglichen Anwendung ihrer Erkenntnisse interessiert.

"Wir freuen uns, dass erneut eine starke Persönlichkeit unserer Universität diesen renommierten Preis für ihre außergewöhnlichen Leistungen in Forschung und Lehre erhalten hat. Concettina Sfienti ist tatsächlich eine Schlüsselfigur in der Kern-, Hadronen- und Teilchenphysik in Mainz und darüber hinaus, mit unermüdlichem Einsatz auf vielfältigen Ebenen", gratuliert JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch.

In ihrem Vortrag anlässlich der Verleihung des Akademiepreises befasste sich Prof. Dr. Concettina Sfienti mit der Entstehung von Elementen: Während es kurz nach dem Urknall nur leichte Elemente, vorrangig Wasserstoff und Helium, im Universum gab, entstanden schwerere Kerne erst im Laufe von Milliarden Jahren durch Fusionsprozesse in Sternen. Insbesondere thematisierte Sfienti die Entstehung des Kohlenstoffisotops 12C – wobei der sogenannte Hoyle-Zustand, den man auch am MESA-Beschleuniger vermessen wird, eine essenzielle Rolle spielt,  – sowie die Entstehung des Sauerstoffisotops 16O. Die Entstehung von 16O, die über eine Alpha-Einfangreaktion, also die Fusion eines Helium-Kerns mit einem Kohlenstoffkern, abläuft, ist bislang nicht hinreichend genau vermessen, was aber mit dem MESA-Experiment MAGIX verbessert werden soll. Diese Reaktionen sind besonders wichtig, um die Nukleosynthese in Sternen vollumfassend zu verstehen.

Concettina Sfienti hat an der Universität Catania in Italien Physik studiert und im Jahr 2000 mit einer Arbeit über Temperatur- und Dichte-Messungen in nuklearer Kalorimetrie promoviert. Anschließend wechselte sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) nach Deutschland, wo sie 2001 Alexander von Humboldt-Stipendiatin wurde. Für einige Jahre ging sie als Assistenzprofessorin zurück an die Universität Catania. Im Jahr 2010 wurde sie von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) auf eine Professur berufen. Seither lehrt und forscht sie an JGU und hat immer wieder wichtige Verantwortlichkeiten übernommen – etwa als Direktorin des Instituts für Kernphysik, als Dekanin des Fachbereichs Physik, Mathematik und Informatik, als Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters PRISMA / PRISMA+, als Projektleiterin in Sonderforschungsbereichen und Forschungskoordinatorin in zentralen Forschungsprojekten. Zudem ist sie Principal Investigator des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM). Zur Unterstützung von Frauen in allen Phasen ihrer wissenschaftlichen Karriere hat sie das Irène-Joliot-Curie-Programm an der JGU gegründet. Auch international ist sie hervorragend vernetzt und eingebunden, etwa als Mitglied im Particle Physics Experiments Evaluation Committee (PP-EEC) am Forschungszentrum TRIUMF (Canada), im Jefferson Lab Program Advisory Committee (USA), im ERC Starting Grant Panel am Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) sowie im International Board der Belle-II-Kollaboration am KEK (Japan) sowie im LHC-Komitee (Schweiz, bis 2021).

Zu Sfientis Forschungsschwerpunkten gehören insbesondere Elektronenstreuexperimente am Mainzer Teilchenbeschleuniger MAMI mit verschiedensten Zielvorgaben, wie etwa der Bestimmung der Neutronenverteilung in schweren Kernen. Derartige Untersuchungen sind traditionell der Kernphysik zugeordnet, haben jedoch auch hohe Relevanz für andere Bereiche der Physik wie etwa die Astroteilchenphysik, um etwa Objekte wie Neutronensterne beschreiben zu können. Mit dem Bau des energierückgewinnenden Beschleunigers MESA an der JGU, der sich kurz vor der Fertigstellung befindet, werden sich die experimentellen Möglichkeiten für Prof. Dr. Concettina Sfienti und die anderen Forscherinnen und Forscher am Institut für Kernphysik noch einmal deutlich erweitern. Die außergewöhnlich hohe Strahlintensität, die mit MESA erreicht werden kann, wird einerseits außerordentlich präzise Elektronstreuexperimente im Niederenergiebereich ermöglichen und andererseits die Chance bieten, nach extrem seltenen Prozessen zu suchen. Entsprechend ist das Forschungsspektrum der drei Experimente P2, MAGIX und DarkMESA äußerst vielfältig. Es umfasst die systematische Untersuchung von Kernkräften, Hadronstrukturmessungen, Messungen von hoher Relevanz für die nukleare Astroteilchenphysik, die hochpräzise Vermessung des elektroschwachen Mischungswinkels sowie die Suche nach Dunkler Materie.

Der Akademiepreis wird vom Land Rheinland-Pfalz im Zusammenwirken mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz gestiftet. Er soll im Bereich der Hochschulen des Landes herausragende und vorbildhafte Leistungen in Lehre und Forschung auszeichnen. Zugleich soll durch diese Ehrung eine Persönlichkeit hervorgehoben werden, die durch ihr engagiertes Wirken maßgebend den wissenschaftlichen Nachwuchs gefördert hat. In den Jahren zuvor hatten an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bereits der Atmosphärenphysiker Prof. Dr. Stephan Borrmann (2004), die Gesangsprofessorin  Claudia Eder (2006), die Ägyptologin Prof. Dr. Ursula Verhoeven-van Elsbergen (2007), der Mathematiker Prof. Dr. Manfred Lehn (2011), die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Damaris Nübling (2013) sowie der Komponist, Organist und Musiktheoretiker Prof. Dr. Birger Petersen (2021) den Akademiepreis erhalten.