Konsultationen zu Kriminalprävention und Resozialisierung / Themenschwerpunkt ist die in Mainz gelehrte Methodik der Angewandten Kriminologie
20.06.2011
Der Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug und Strafrecht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat heute eine Delegation von 25 Führungskräften unter der Leitung des stellvertretenden Generaldirektors des Justizministeriums der Volksrepublik China, Ding Chuanquing, empfangen. Den thematischen Schwerpunkt der Konsultationen bildete die vom Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Dr. Michael Bock mitentwickelte Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse (MIVEA), mit der - wissenschaftlich gesichert und praxiserprobt - die Einschätzung der kriminellen Gefährdung eines Menschen mit konkreten Vorschlägen für nachhaltig wirksame Interventionsmaßnahmen möglich ist. Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse des Sozialverhaltens des Täters mit dieser Methodik der Angewandten Kriminologie können die kriminologisch bedeutsamen Stärken und Schwächen des einzelnen Klienten herausgearbeitet und daraus die jeweils geeigneten Interventionsmaßnahmen abgeleitet werden.
"Das Konzept der Angewandten Kriminologie lebt von Interdisziplinarität, und so haben wir auch unseren Lehrstuhl an der Universität Mainz entsprechend aufgestellt", betont Michael Bock, selbst Soziologe, Kriminologe, Jurist und Theologe. "Unter meinen Mitarbeitern finden sich neben Juristen und Kriminologen, Soziologen und Pädagogen auch Mediziner und Psychologen, die gemeinsam möglichst umfassende Einzelfallanalysen erarbeiten und das Konzept ständig weiterentwickeln."
Der deutsche Gesetzgeber hat an zentralen Stellen des Straf- und Strafverfahrensrechts von einer Regelungstechnik Gebrauch gemacht, die eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthält und damit der Rechtsprechung große Ermessungsspielräume eröffnet. Begriffe wie die 'Persönlichkeit des Verurteilten', sein 'Vorleben', die 'Umstände, Beweggründe und Ziele' der Tat, die 'zu erwartende Wirkung der Strafe' etc. entziehen sich juristischer Dogmatik und erfordern empirisches, spezifisch kriminologisches Wissen. Dies gilt in noch viel stärkerem Maße für das gesamte Jugendstrafrecht, weil hier bereits die Voraussetzungen der Strafbarkeit bzw. die Voraussetzungen einer Jugendstrafe oder die Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende unter dem Vorbehalt eines empirischen Befunds stehen, den Staatsanwaltschaft und Gericht zu prüfen und sachkundig bewerten zu haben. Für all diese Bereiche ist die Angewandte Kriminologie die zuständige empirische Wissenschaft, soweit - wie in den allermeisten Fällen - beim Täter keine psychiatrischen Auffälligkeiten vorliegen.
Die von den Mainzer Kriminologen vertretene Einzelfalldiagnostik mit der Methodik der Angewandten Kriminologie können Studierende ebenso wie Praktiker aus den verschiedenen Bereichen der Jugend- und Strafrechtspflege in dieser Form nur in Mainz erlernen. Sie ist damit ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.