Forschende der JGU und der Firma Evonik haben eine innovative Methode entwickelt, um Zwei- und Dreifachbindungen von Kohlenwasserstoffen aufzubrechen und zu oxidieren
21.08.2023
Seile fürs Bergwandern, Fallschirme aus Nylon oder Materialien für den 3-D-Druck: Polyamide werden für zahlreiche Produkte benötigt. Als chemische Bausteine für sie werden Dicarbonsäuren verwendet, deren Herstellung aber bislang herausfordernd ist. Denn bisherige Verfahren zur Herstellung von Dicarbonsäuren aus gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffen sind häufig mehrstufig, benötigen Schwermetalle und starke Säuren und sind energie- und kostenaufwendig. Nicht selten werden klimarelevante Stickoxide (NOx) freigesetzt, die zu den wesentlichen Treibhausgasen gehören. Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Firma Evonik haben nun einen umweltfreundlichen Weg zur Herstellung von (Di-)Carbonsäuren gefunden. Darüber berichten sie im renommierten Fachmagazin Nature Communications.
Elektrochemie machts möglich
"Mit unserer Technologie gibt es nun erstmals einen schonenderen Weg, um aus petrochemischen Verbindungen oder auch aus ungesättigten Fettsäuren Bausteine für Polyamide herzustellen", sagt Prof. Dr. Siegfried Waldvogel, Sprecher des Profilbereichs SusInnoScience (Sustainable Chemistry as the Key to Innovation in Resource-efficient Science in the Anthropocene) der JGU. Die Technologie basiert auf einem elektrochemischen Verfahren und besteht darin, dass Kohlenwasserstoffe mit Doppel- oder Dreifachbindung in eine mit Lösungsmittel gefüllte Elektrolysezelle gegeben werden und dann Sauerstoff hinzugefügt wird – je größer die Sauerstoffkonzentration, desto effizienter der Prozess. "Das Faszinierende an unserem Verfahren ist, dass sowohl die Elektrochemie am Pluspol als auch die am Minuspol benötigt wird", sagt Waldvogel. Während an der Anode oxidativ Radikale erzeugt werden, wird auf der Gegenelektrode der Sauerstoff zu Superoxid-Anionen reduziert. Die Radikale und die Superoxid-Anionen treffen in der Lösung aufeinander und reagieren zum gewünschten Produkt, der Carbonsäure. Die Forschenden haben diesen Prozess sowohl in der Topf- als auch in der Flusselektrolyse erfolgreich durchgeführt.
Nötig sind lediglich Luftsauerstoff, Strom und Kohlenstoffverbindungen
Der neue Ansatz bietet große Vorteile: Auf Schwermetalle und starke Säuren kann verzichtet werden und es entstehen keine Stickoxide. Als Ausgangsstoffe werden lediglich Luftsauerstoff, Strom und Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen benötigt. Da außerdem kein Nebenprodukt erzeugt wird und sich das Lösungsmittel immer wieder verwenden lässt, ist der Prozess sehr ökonomisch. "Wir haben einen neuen und schonenderen Weg für die Carbonsäureproduktion gefunden und somit einen wichtigen Baustein für Firmen geschaffen, die klimaschädliche Wege durch grüne Produktion ersetzen wollen", so Waldvogel. In einem weiteren Schritt arbeiten die Forschenden nun daran, den Prozess aus dem Labor in eine größerskalige Anwendung zu bringen.