Bildung von Blauschiefer geht auf Veränderungen in chemischer Zusammensetzung ozeanischer Kruste zurück
14.12.2015
Das Entstehen der Plattentektonik ist noch immer eines der größten Rätsel der Erdgeschichte. Dabei gehen unter Wissenschaftlern die Ansichten darüber auseinander, wann die Prozesse der heutigen Plattentektonik, die vom Abtauchen ozeanischer Platten angetrieben werden, begonnen haben. Nach vorherrschender Meinung schieben sich schon seit dem Hadaikum vor über vier Milliarden Jahren ozeanische Platten unter andere Platten und tauchen in den Erdmantel ein – ein Prozess, der als Subduktion bezeichnet wird. Andere vertreten die Auffassung, die Plattentektonik habe ihren Ausgangspunkt im Neoproterozoikum vor 500 bis 1.000 Millionen Jahren genommen – eine Ansicht, die mit dem Aufkommen von Blauschiefer vor 700 bis 800 Millionen Jahren verknüpft wird. Geowissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun gezeigt, dass das Erscheinen von Blauschiefer mit langfristigen Veränderungen in der Zusammensetzung ozeanischer Kruste zusammenhängt und daher keine Messlatte für die Entstehung von Plattentektonik sein kann. Die Studie wurde in dem renommierten Fachjournal Nature Geoscience veröffentlicht.
Blauschiefer ist ein Gestein von blauvioletter Farbe, das relativ selten vorkommt, etwa in den Alpen, in Japan und an der Westküste der USA. Die ältesten gefundenen Blauschiefer stammen aus dem Neoproterozoikum und sind 700 bis 800 Millionen Jahre alt. Das Gestein entsteht beim Abtauchen von ozeanischer Kruste. Voraussetzung für die Bildung sind hoher Druck und relative niedrige Temperaturen von 200 bis 500 Grad Celsius. Weil solche Bedingungen in der jüngeren Vergangenheit nur in Subduktionszonen herrschten, ist Blauschiefer ein Indikator für die von Subduktion gesteuerte Plattentektonik. Die Abwesenheit von Blauschiefer in den ersten 3,8 Milliarden Jahren der Erdgeschichte ist unter Geologen ein heftig diskutiertes Thema.
"Wir wissen, dass die Bildung von Blauschiefer definitiv an Subduktion gebunden ist", erklärt Prof. Dr. Richard White vom Institut für Geowissenschaften der JGU. "Die Tatsache, dass die ältesten Blauschiefer 700 bis 800 Millionen Jahre alt sind, bedeutet aber nicht, dass es vorher keine Subduktion gegeben haben kann, wie manchmal behauptet wird", ergänzt Dr. Richard Palin. Die beiden Wissenschaftler zeigen in ihrer Studie erstmals, dass die Abwesenheit von Blauschiefer in den alten geologischen Archiven auf eine Veränderung in der chemischen Zusammensetzung der ozeanischen Kruste im Laufe der Erdgeschichte zurückgeht, was wiederum eine Folge der allmählichen Abkühlung des Erdmantels seit dem Archaikum ist.
Ozeanische Kruste, die sich auf einer frühen, heißen Erde gebildet hätte, wäre reich an Magnesiumoxid gewesen. Anhand von Computermodellen weisen Palin und White nach, dass aus magnesiumoxidreichem Gestein bei den Bedingungen der Subduktion kein Blauschiefer entstehen kann. Stattdessen hätte das Abtauchen von magnesiumoxidreicher ozeanischer Kruste zur Bildung von Gesteinen geführt, die Grünschiefer ähneln, einem metamorphen Gestein, das heute bei niedrigen Temperaturen und niedrigem Druck gebildet wird. Da Grünschiefer mehr Fluide enthalten kann als Blauschiefer, konnten zu Zeiten der frühen Erde mehr Fluide in den Erdmantel gelangen als heutzutage, was die Bildung von Magmen beeinflusst, eines der Themen des Forschungsschwerpunkts "Volcanoes and Atmosphere in Magmatic Open Systems" (VAMOS) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.