Archäologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nehmen Grabungen am See Gennesaret wieder auf

Grabungsprojekt in Israel auf zwölf Jahre angelegt

12.05.2004

Der See Gennesaret ist vielleicht der bekannteste See auf der ganzen Welt. Im Hebräischen heißt er eigentlich "See von Kinneret" und ist nach einer Ortschaft am Nordwestufer des Sees benannt. Dieser Ort war im 2. und frühen 1. Jahrtausend v.Chr. die größte Ortslage am Ufer des Sees und gab ihm daher den Namen. Er liegt ziemlich genau auf dem halben Weg zwischen Magdala und Kapernaum in einem quellenreichen Gebiet. Unmittelbar neben dem Siedlungshügel wurde im 4. Jahrhundert n.Chr. in et-Tabgha eine Kirche erbaut, die an das Speisungswunder des Neuen Testaments erinnern soll. Das Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) will zusammen mit den Universitäten in Helsinki und Bern die Ausgrabungen an diesem für die Geschichte Israels so wichtigen Siedlungshügel wieder aufnehmen. Mainz ist mit diesen und anderen Aktivitäten die führende Universität in Deutschland für Grabungen in Israel.

Schon mehrfach wurden an diesem Ort wissenschaftliche Ausgrabungen durchgeführt, auf katholischer Seite bereits 1932 und 1939. Eine erste neuerliche Serie von Ausgrabungen fand dann von 1982 bis 1985 unter der Leitung des damals an der JGU beschäftigten evangelischen Theologen und Archäologen Volkmar Fritz statt. Die Ergebnisse seiner ersten Grabungsaktivitäten in Kinneret waren beachtlich. Vor allem Teile der Siedlung der Richter- und der Königszeit wurden freigelegt. So zeigte sich, dass nach einer längeren Siedlungspause der Ort um 1200 v.Chr. wieder neu gegründet worden war und bis zu seiner Zerstörung durch die Assyrer 733 v.Chr. bestand (2 Könige 15,29). Es stellte sich heraus, dass Kinneret um 1200 v.Chr., als fast alle großen Städte des Landes aufgegeben wurden und die Menschen stattdessen in kleinen Dörfern wohnten, eine mächtige städtische Neugründung war. Damit hat diese Ortslage eine nahezu singuläre Stellung im ganzen Land. Teile der Wohnbebauung aus jener Zeit, aber auch die Toranlage wurden bei den Grabungen freigelegt. Ein großes Pfeilerhaus wurde vielleicht als Stall, vielleicht aber auch als Kaserne oder als Markt- oder Lagergebäude genutzt. Der herausragende Fund dieser Grabungen war eine Salbschale, an der im Altertum ein Tierbalg befestigt war. Die Salbe in dem Balg floss in die Salbschale, sodass man sich einsalben konnte. Während die meisten anderen Fundstücke dieser Art aus schwarzem Steatit gefertigt sind, fasziniert das Exemplar aus Kinneret durch seine dunkle blaue Farbe.

Von 1994 bis 1999 fanden neuerliche Grabungen statt, wieder geleitet von Volkmar Fritz, nun aber in seiner Funktion als Leiter des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes. Diese zweite Grabungsserie führte dazu, dass man die Siedlungsschichten aus dem 2. Jahrtausend v.Chr. näher klären konnte. Inzwischen steht auch fest, dass der Ort zu Beginn des 3. Jahrtausends v.Chr. gegründet wurde.

Mit seiner Pensionierung übergab Fritz die Grabungsleitung an seine Schüler Jürgen Zangenberg (Wuppertal), Stefan Münger (Bern) und Juha Pakkala (Helsinki). An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde inzwischen ein Zentrum für die Ausgrabungen eingerichtet. Dort befinden sich die gesamten bisherigen Grabungsunterlagen, aber auch die deutschen Anteile an den Funden, alle Fotos und Pläne sowie die Bibliothek von Volkmar Fritz, die von einem Sponsor angekauft und dem Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie der JGU zur Verfügung gestellt wurde. Hier sollen auch in Zukunft die Grabungen koordiniert und aufgearbeitet werden. Mainz ist mit diesen und anderen Aktivitäten die führende Universität in Deutschland für Grabungen in Israel.

Nach einer ersten kleinen Kampagne im Jahr 2003 sollen ab 2004 über einen Zeitraum von zwölf Jahren noch einmal intensive Untersuchungen vorgenommen werden. Die Ziele für diese neuerliche Grabungsaktivität sind dabei vielfältig. Nicht nur der Siedlungshügel soll im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen, sondern die ganze Umgebung. Das Gebiet am Nordwestufer des See Gennesaret wurde zwar immer wieder in Einzeluntersuchungen erfasst, aber nie wirklich zusammenhängend erforscht. Dies verwundert umso mehr, als sich hier jedes Jahr unzählige Touristen aufhalten, um auf den Spuren Jesu zu wandeln. Wenn er von Kapernaum nach Magdala, der nächsten Siedlung gehen wollte, musste er an Kinneret vorbei. Und die besten Fischfanggründe am See Gennesaret liegen unmittelbar bei dieser antiken Ortslage. Von daher bietet es sich zwangsläufig an, auch nach kleineren Bauanlagen in der Region zu suchen, die etwas über die Geschichte der ganzen Region erzählen können.

Daneben sollen aber vor allem die Handelsbeziehungen des Ortes geklärt werden. Im letzten Jahr wurde eine phönizische Keramik gefunden, die auf intensive Beziehungen zur Mittelmeerküste hinweist. Es wird auch vermutet, dass hier anfangs Aramäer siedelten, die erst von David vertrieben wurden. Vielleicht führen die neuerlichen Grabungen dazu, ein Stück weit das Rätsel um den historischen David zu lösen. Aber auch die älteren, bislang nur sehr wenig erfassten Siedlungsschichten an diesem Ort sollen stärker im Zentrum der Untersuchungen stehen.