Ernst Fehr und Michèle Lamont mit Gutenberg Research Award 2014 ausgezeichnet

Anerkennung für herausragende Forschungsleistungen und Stärkung der Verbindungen zur Johannes Gutenberg-Universität Mainz

27.05.2014

Das Gutenberg Forschungskolleg (GFK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat in diesem Jahr zwei international renommierte Wissenschaftler mit dem mit jeweils 10.000 Euro dotierten Gutenberg Research Award ausgezeichnet. Zum einen ging der Preis an den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Ernst Fehr, Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich, zum anderen an die Kultursoziologin Prof. Dr. Michèle Lamont von der US-Eliteuniversität Harvard. "Wir können in diesem Jahr gleich zwei auf ihrem Fachgebiet absolut herausragende Persönlichkeiten zur Vergabe des Gutenberg Research Award in Mainz begrüßen", so Prof. Dr. Matthias Neubert, Direktor des GFK und Leiter der Arbeitsgruppe Theoretische Hochenergiephysik an der JGU. "Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz möchte mit dem Preis ihre Anerkennung für die großartigen Forschungsleistungen ausdrücken und gleichzeitig dazu beitragen, die Verbindungen zwischen den beiden Preisträgern und der JGU zu stärken." Fehr zählt zu den renommiertesten Wirtschaftswissenschaftlern weltweit. Seine Forschungsansätze reichen weit in die Psychologie, die Soziologie, die Biologie und die Neurowissenschaften hinein und sind gleichermaßen innovativ wie aufsehenerregend. Auch Michèle Lamont überschreitet mit ihren Arbeiten klassische Fächergrenzen und hat wegweisende Forschungen vorgelegt, die aktuell in der Entwicklung eines neuen kultursoziologischen Denkstils münden.

Ernst Fehr gilt in Fachkreisen seit einigen Jahren als Anwärter für den Ökonomie-Nobelpreis. Der gebürtige Österreicher ist seit 1994 Professor für Mikroökonomik und Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich, wo er derzeit das Institut für Volkswirtschaftslehre leitet und dem UBS International Center of Economics in Society vorsteht. Seit 2011 ist er außerdem Global Distinguished Professor an der New York University. In seinen Arbeiten analysiert Fehr verschiedene nichtökonomische Faktoren wie beispielsweise Fairness oder Gegenseitigkeit und untersucht, welchen Einfluss sie auf das moderne wirtschaftliche Leben haben. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Forschungen zu menschlichem Altruismus, sozialen Präferenzen und sozialen Normen. Im Bereich der Neuroökonomik werden die neurobiologischen Grundlagen wirtschaftlichen Verhaltens erforscht. In Fehrs Arbeiten fließen Erkenntnisse aus den Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie, Soziologie, Biologie und den Neurowissenschaften ein mit dem Ziel, zu einem besseren Verständnis menschlichen Verhaltens im jeweiligen institutionellen und sozioökonomischen Kontext zu gelangen.

Fehrs führende Rolle in den Wirtschaftswissenschaften zeigt sich neben zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen Spitzenpublikationen in einer Reihe von Rufen an international herausragende Universitäten wie zum Beispiel nach Berkeley, Princeton, Cambridge, Oxford und an die New York University, die er abgelehnt hat. Zahlreiche hochrangige Veröffentlichungen in psychologischen und neurowissenschaftlichen Top-Zeitschriften sowie 18 Artikel in den naturwissenschaftlichen Fachmagazinen Nature und Science verdeutlichen die interdisziplinäre Breite und Exzellenz von Fehrs Arbeiten.

Mit der Untersuchung der biologischen, hormonellen, genetischen und neuronalen Grundlagen menschlichen Verhaltens konnte er zeigen, wie wichtig es für die Wirtschaftswissenschaft ist, den Menschen nicht mehr als "Homo oeconomicus" zu betrachten, dessen Motivation nur in der Maximierung des eigenen Gewinns besteht. Inhaltlich bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte mit dem an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz neu eingerichteten Forschungsschwerpunkt "Interdisciplinary Public Policy". Intensive Kontakte bestehen bereits im Rahmen der von den Universitäten Mainz und Zürich gemeinsam geleiteten KIDS-WIN-Studie.

Michèle Lamont ist Professorin für Soziologie, European Studies und African American Studies an der Harvard University. Sie gilt als herausragende Forscherpersönlichkeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften und wird weit über die Fachgrenzen hinaus geschätzt. Neben ihrer Position in Harvard ist sie Fellow des Canadian Institute for Advanced Research, dessen Forschungsprogramm "Successful Societies" sie seit dem Jahr 2002 leitet. Lamont ist regelmäßiger Gast an renommierten internationalen Forschungseinrichtungen. Sie lehrte u.a. an der EHESS in Paris und war Gastprofessorin an der Universität von Tel Aviv, weitere Einladungen führten sie an die Sciences Po in Paris und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

In ihren Arbeiten analysiert die Kultursoziologin, wie sich Vorstellungen von Moral und Zugehörigkeit auf soziale Hierarchien und Ungleichheiten zwischen Menschen und Gruppen auswirken. Lamont hat mehr als 80 Aufsätze veröffentlicht und ist Herausgeberin von zwölf Sammelbänden und Autorin dreier preisgekrönter Bücher. Darin untersuchte sie die Klassen- und Moralvorstellungen von amerikanischen und französischen Männern der oberen Mittelschicht, das Selbstverständnis von Mitgliedern der Arbeiterklasse und die Praktiken zur Feststellung akademischer "Exzellenz". Sie prägte maßgeblich die aufkommende Kultursoziologie in den USA und wurde insbesondere für ihren kulturvergleichenden Ansatz ausgezeichnet.

Lamont nimmt eine einzigartige Beobachtungsposition ein, in der sich das Studium europäischer und afroamerikanischer Kultur kreuzen. Die theoretischen Grundlagen der kulturvergleichenden Ungleichheitsforschung hat sie wesentlich mitentwickelt. Ihre Forschungen werden von der Soziologie, der Politikwissenschaft, der Ethnologie und der Wissenschaftsforschung aufgegriffen, aber auch über die Grenzen der Wissenschaft hinaus beachtet. Michèle Lamont war u.a. Mitglied des Haut Conseil de la Science et de la Technologie der französischen Regierung und im wissenschaftlichen Beirat der Sciences Po. Sie ist außerdem Beraterin der Weltbank und der UNESCO.

Aktuell arbeitet Lamont an zwei Projekten: Zum einen untersucht sie die Erfolgsbedingungen interdisziplinärer Forschergruppen, zum anderen arbeitet sie an einer international vergleichenden Studie zum Umgang mit rassischen Stigmatisierungen in Brasilien, Israel, Frankreich, Schweden, Südafrika und den USA. Vor allem diese Studie bietet einige Anknüpfungspunkte zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit dem Forschungsschwerpunkt "Sozial- und Kulturwissenschaft Mainz" (SOCUM) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.