Interdisziplinäre Forschungskooperative der Universitätsmedizin Mainz zielt auf verbesserte Therapien und Prävention von Spätfolgen ab
05.09.2013
Wer im Kindes- und Jugendalter eine Krebserkrankung hatte, ist im Erwachsenenalter sehr gefährdet, einen Zweittumor zu bekommen. Zudem zeigen ausländische Krebsregisterdaten bei dieser Personengruppe ein erhöhtes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Mit dem Ziel, die kardiovaskulären Spätfolgen von im Kindes- und Jugendalter erlittenen Krebserkrankungen besser zu verstehen, startet an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eine interdisziplinäre Forschungskooperative. Die Ergebnisse sollen helfen, Prävention und Therapien zu verbessern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert dieses Projekt mit rund 600.000 Euro.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Erkrankungs- und Todesursache in den westlichen Industriestaaten. Gemäß den Daten des Statistischen Bundesamts verstarben im Jahr 2011 rund 342.200 Frauen und Männer an einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems. Das ist nahezu jeder zweite Todesfall in Deutschland. Jedes Jahr erleiden in Deutschland fast 300.000 Menschen einen Herzinfarkt, über 170.000 sterben an dessen Folgen. Eine britische Studie stellte fest, dass als Kind an Krebs erkrankte Erwachsene mindestens bis zum Alter von etwa 50 Jahren etwa viermal häufiger an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung sterben als erwachsene Personen ohne vergleichbare Vorerkrankung.
Das von der Pädiatrischen Hämatologie/Onkologie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, dem Deutschen Kinderkrebsregister am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) und der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz gemeinsam durchgeführte Projekt trägt die Bezeichnung "Cardiac and vascular late sequelae in long-term survivors of childhood cancer (CVSS)". Es richtet den Fokus auf die Untersuchung von rund 1.000 Erwachsenen, die zwischen 1980 und 1990 an Krebs erkrankt waren. Das Forschungsinteresse zielt auf ein besseres Verständnis der kardiovaskulären Spätfolgen von Krebserkrankungen und der Auswirkungen von Therapien im Kindes- und Jugendalter auf das Herz-Kreislauf-System ab. Auf der Grundlage neuer Forschungserkenntnisse erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler zudem, zur Prävention dieser Spätfolgen beitragen zu können.
Prof. Dr. Thomas Münzel kommentiert das Projekt wie folgt: "Die Infrastruktur der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) schafft ideale Voraussetzungen für eine hochstandardisierte Untersuchung und Charakterisierung der Studienteilnehmer. Mit der CVSS-Studie werden wir die Spätfolgen von Krebserkrankungen und ihren Therapien auf das Herz-Kreislauf-System sehr viel besser verstehen und daraus Empfehlungen für gezielte Vorsorgeuntersuchungen ableiten können." Zentrale Erkenntnisse insbesondere für die Nachsorge wird die Studie laut Prof. Dr. Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz, mit sich bringen: "Aufgrund intensiver Forschung in den vergangenen Jahrzehnten liegen die Heilungschancen bei Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter heute bei etwa 75-80 Prozent. Umso wichtiger ist es, neben einer weiteren Verbesserung der Heilungschancen auch frühzeitig Risikogruppen für das Auftreten von Therapiespätfolgen zu identifizieren, um eine effektive Nachsorge erfolgreich mit gezielter Prävention zu verbinden."
Was die CVSS-Studie von vorangegangenen Studien unterscheidet: Bislang wurden Erkenntnisse zum Sachverhalt hauptsächlich aus Daten von Befragungen oder der Untersuchung kleiner Patientenkohorten gewonnen. Im Gegensatz dazu führen die Wissenschaftler im Rahmen der CVSS-Studie ausführliche klinische Untersuchungen durch, die es ermöglichen, eine subklinische, also vom Patienten noch nicht bemerkbare Erkrankung zu erkennen. Für die Durchführung des Projekts werden die Wissenschaftler das Studienzentrum und die Logistik der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) nutzen. "Dies wird helfen, die Rolle der Therapie zusammen mit individuellen Risikofaktoren, Umwelt und Lebensstil sowie die prädisponierenden genetischen Faktoren für das Auftreten der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu untersuchen. Die erfolgreiche Langzeitnachbeobachtung des Deutschen Kinderkrebsregisters ermöglicht es dabei, die meisten ehemaligen Patienten auch im Erwachsenenalter zu einer derartigen Untersuchung einzuladen. Langfristig können wir so hoffentlich zu einer Verbesserung der Nachsorge bei Krebserkrankungen im Kindesalter beitragen", so Prof. Dr. Maria Blettner, Direktorin des IMBEI.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das CVSS-Projekt zunächst für 18 Monate. Die Studie profitiert von der engen interdisziplinären Kooperation zwischen der Pädiatrischen Hämatologie/Onkologie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin vertreten durch Prof. Dr. Jörg Faber, dem Deutschen Kinderkrebsregister am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) repräsentiert durch PD Dr. Claudia Spix sowie der klinischen Epidemiologie der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik an der Universitätsmedizin Mainz vertreten durch Prof. Dr. Philipp Wild.