Soziale Medien und Suchmaschinen sind laut Studie besser als ihr Ruf

Forscher sehen Nachrichtenkonsum und dessen Vielfalt durch soziale Medien und Suchmaschinen begünstigt und stellen Bildung von Filterblasen und Echokammern im Internet infrage

29.01.2020

Digitale Medien haben den Nachrichtenkonsum fundamental verändert. Häufig wird angenommen, dass sich die Nutzung von sozialen Netzwerkseiten und Suchmaschinen negativ auf die Vielfalt der genutzten Nachrichten auswirkt. Den algorithmischen Filtern dieser Intermediären wird zugeschrieben, Nutzerinnen und Nutzern nur solche Informationen anzuzeigen, die ihren Interessen und Neigungen entsprechen. Diesen verbreiteten Annahmen widerspricht eine aktuelle Studie von Forschern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Universität Hohenheim und GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Sie zeigen anhand einer innovativen Messung des Web-Browsing-Verhaltens von mehr als 5.000 deutschen Internetnutzern, dass die Nutzung von Intermediären wie Facebook, Twitter, Google oder Portalen wie GMX mit mehr Besuchen von Nachrichtenseiten und einer größeren Vielfalt besuchter Nachrichtenseiten einhergeht. Dies steht im Gegensatz zur bislang verbreiteten Ansicht.

"Wer Facebook oder Google besucht, kommt mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mit Nachrichten in Kontakt. Die Nutzung dieser Intermediäre ist daher ein wichtiger Mechanismus für den Konsum von Nachrichten im Internet", erklärt Dr. Frank Mangold von der Universität Hohenheim. Das Forscherteam führt dies auf das Konzept der zufälligen Rezeption von Nachrichten zurück. In traditionellen Medien wie Fernsehen und Zeitung sehen Bürgerinnen und Bürger Nachrichten oft nur, wenn sie diese bewusst auswählen. Auf intermediären Plattformen kommen Menschen auch zufällig mit Nachrichten in Berührung, etwa wenn ihre Kontakte Nachrichteninhalte teilen oder sie beim Abrufen von E-Mails auf interessante Artikel stoßen. Die Studienergebnisse haben, so die Forscher, bedeutsame politische und gesellschaftliche Implikationen, weil sie der Bildung von Filterblasen oder Echokammern widersprechen. "Bisherige Debatten haben sich in vielerlei Hinsicht um die Befürchtung gedreht, dass Online-Medien zur Entstehung neuer Mauern in der Gesellschaft führen", so Prof. Dr. Michael Scharkow von der JGU. "Unsere Ergebnisse zeigen demgegenüber, dass soziale Medien und Suchmaschinen durchaus das Potenzial haben, bestehende Mauern zu überwinden."

"Speziell aus bisherigen Studien der Universität Oxford wissen wir aber, dass dieser Zugang zu Nachrichten zum Teil zufällig ist, zum Teil aber auch durchaus bewusst passiert. Manche Nutzerinnen und Nutzer besuchen eben auch Facebook, Twitter und Co. mit dem Ziel, dort Nachrichten zu konsumieren", ergänzt Dr. Johannes Breuer von GESIS. Um dieses Problem zu lösen, haben die Forscher durch ein statistisches Modell die erwartete Nachrichtennutzung pro Tag errechnet, um den zufälligen beziehungsweise ungeplanten Kontakt mit Nachrichten zu isolieren. Dabei zeige sich: "Egal ob ein Nutzer normalerweise viel oder wenig Online-Nachrichten konsumiert: An Tagen, an denen jemand mehr auf Facebook, Twitter oder Google unterwegs ist als sonst, bekommt er auch mehr Nachrichten und Nachrichten aus mehr Quellen zu sehen als sonst", sagt GESIS-Wissenschaftler Dr. Sebastian Stier.

Die Forscher weisen aber auch darauf hin, dass weitere Studien und genauere Einblicke in die Algorithmen von Intermediären notwendig sind, um genauer zu verstehen, wie diese Intermediäre den unbeabsichtigten Nachrichtenkonsum fördern.