Sprache der Bilder steht im Mittelpunkt der Vorlesungsreihe des Schweizer Professors für Neuere Kunstgeschichte
03.05.2011
Was ist ein Bild und wie erzeugen Bilder Sinn? Die Sprache der Bilder stellt der Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2011 der "Freunde der Universität Mainz e.V.", Prof. Dr. Gottfried Boehm, in den Mittelpunkt seiner Veranstaltungsreihe. Der international renommierte Schweizer Professor für Neuere Kunstgeschichte hat entscheidende Impulse zur Entstehung einer neuen Bildwissenschaft gegeben. Den von ihm mitgeprägten "iconic turn", die Wende zum Bild seit dem Ende des 20. Jh.s, die entwickelten Verfahren der Bildforschung und die gewonnenen Einsichten wird er mit seinen Gastrednern und dem Publikum analysieren und diskutieren. "Die digitale Revolution hat eine bildgestützte Gesellschaft hervorgebracht. In noch nie da gewesener Weise benützen wir Bilder für die universelle Kommunikation und als Instrumente der Forschung und Wissensvermittlung. Wir freuen uns daher ganz besonders, dass wir diesen international anerkannten Experten auf dem Gebiet der Bildwissenschaft und Bildgeschichte für die 12. Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur gewinnen konnten", erklärt Dr. Klaus Adam, Vorsitzender der Vereinigung der "Freunde der Universität Mainz e.V." "Denn Prof. Boehm widmet seine Aufmerksamkeit nicht nur einem hochaktuellen Thema. Indem seine Vorlesungsreihe Bilderwelten und Bildersprache in den Mittelpunkt rückt, steht sie auch in Kontinuität mit der vorangegangenen Stiftungsprofessur zur Sprachfähigkeit des Menschen – und wird auf diese Weise dem Anspruch unserer Stiftungsprofessur auf Interdisziplinarität und gesellschaftlich relevante Fragestellungen in geradezu idealer Weise gerecht."
In der europäischen Wissenschaftsgeschichte ist der Bilddiskurs erst spät entstanden, was angesichts einer alten und starken Bildkultur verwundert. Und es ist umso überraschender angesichts reproduktiver Bildtechniken, die das fotografische und das bewegte Bild zu einem massenhaften Gebrauchsgegenstand gemacht haben. Dank digitaler Technologien wurden Bilder in den vergangenen Jahren, was sie zuvor in der Geschichte nie gewesen waren, nämlich alltägliche Mittel einer weltweiten Kommunikation. Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Gottfried Boehm hat die Bildgeschichte und Bildwissenschaft zum seinem Forschungsthema gemacht. Der Leiter des Nationalen Schweizerischen Forschungsschwerpunkts "Eikones - Bildkritik. Macht und Bedeutung der Bilder" wird sich im Rahmen der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2011 mit der Bedeutung und Wirkung von Bildern auseinandersetzen, mit ihrer Funktion und Erscheinungsvielfalt als künstlerisches, wissenschaftliches, religiöses und kommunikatives Medium.
Prof. Dr. Gottfried Boehm, 1942 in Braunau (Böhmen) geboren, studierte Kunstgeschichte, Philosophie, Germanistik in Köln, Wien und Heidelberg. Nach der Promotion in Philosophie und Habilitation in Kunstgeschichte war er von 1975 bis 1979 Dozent und apl. Prof. für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1979 bis 1986 hatte er den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen inne. Seit 1986 ist Gottfried Boehm Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel. Dort leitet er auch seit 2005 als Direktor den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) "Bildkritik". Er war 2001/2002 Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin, ist seit 2006 Korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 2010 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Kunst der Renaissance, die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, zeitgenössische Kunst, Probleme der Gattungen (insbesondere Porträt, Landschaft, Stillleben), Bildtheorie und Bildgeschichte, Methodologie und Hermeneutik sowie Kunsttheorie. Gottfried Boehm ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zum Thema Bild, Bildgeschichte und Bildwissenschaft.
Faszination durch das Sichtbare
"Das Ziel der 12. Veranstaltungsreihe der Stiftungsprofessur besteht darin, die Grundlagen des heutigen Bilddiskurses, den aktuellen Stand der Bildforschung und die Bedeutung für Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft aufzuzeigen. Und es geht nicht zuletzt darum, die 'Lust am Bild' zu wecken, die 'Faszination durch das Sichtbare' zu vermitteln, die auch für Gottfried Boehms eigene Arbeit leitend ist", erläutert Prof. Dr. Andreas Cesana, Vorsitzender der Stiftung "Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur", das Anliegen der Organisatoren.
"Die Reflexion über die Sprache der Bilder wird in den einzelnen Vorlesungen mit viel Anschauung und mit zahlreichen Beispielen verbunden, die aus dem weiten Spektrum der Bildproduktion gegriffen sind", so Professor Cesana weiter. "Sie reichen von vorgeschichtlichen Faustkeilen bis zu jenen Werken der Moderne, welche die gewohnte Erscheinungsweise des Bildes auf die Probe gestellt haben. Sie reichen von bildgebenden Verfahren und Wissenschaftsbildern bis hin zur Analyse wissenschaftlicher Bildwerke." Das Publikum dürfe sich somit auf anschauliche und spannende Abendveranstaltungen mit einem Stiftungsprofessor freuen, der nicht nur Entstehung, Funktion und Bedeutung von Bildern aufzeigen, sondern auch ihre enorme Wirkung, ihre ominöse Macht und Verführungskraft verdeutlichen möchte. Gemäß Gottfried Boehm funktionieren Bilder anders als Sätze und sind doch voller Sinn und Mitteilungskraft. Ihr Sagen ist kein wirkliches Sagen, sondern ein Zeigen. Bilder zeigen, wovon sie handeln. Gleichzeitig demonstrieren sie damit, dass Sinn auch jenseits der vokalisierten Sprache entsteht. Wahrnehmung, der Blick auf das Bild, gewinnt laut Gottfried Boehm eine konstitutive Bedeutung.
Aspekte der Bildwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Linguistik, aber auch der Paläontologie und der Psychologie wird Gottfried Boehm mit international renommierten Forschern diskutieren. Dazu hat er als Gastredner international führende Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Prof. Dr.ès sc. Jean-Marie Le Tensorer vom Institut für prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Basel, Prof. Dr. Ludwig Jäger vom Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Prof. Dr. Hans Belting vom Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Prof. Dr. Horst Bredekamp vom Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin und Prof. Dr. med. Joachim Küchenhoff, Ärztlicher Leiter Kantonale Psychiatrische Dienste und Chefarzt Kantonale Psychiatrische Klinik, Liestal.
Öffnung der Universität: Akzeptanz in der Öffentlichkeit
Die Mainzer Stiftungsprofessur ist herausragenden Wissenschaftlern und Persönlichkeiten von internationalem Renommee vorbehalten: Die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der Vereinigung der Freunde soll das Ansehen und die Attraktivität der Universität über die Landesgrenzen hinaus fördern und neue Akzente setzen. Als Nachfolger von Fritz Stern, Bert Hölldobler, Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Frühwald, Klaus Töpfer, Peter Ruzicka, Anton Zeilinger, Fritz Melchers, Jan Philipp Reemtsma, Karl Kardinal Lehmann und Angela D. Friederici wird somit auch im Jahr 2011 eine Persönlichkeit von internationaler Bedeutung nach Mainz kommen.
"Mit den aktuellen Fragestellungen nach den medialen Bilderwelten als inszenierter Wirklichkeit und ihrer Relevanz für kommunikative Prozesse in der heutigen Gesellschaft wird die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2011 nicht nur erneut die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit maßgeblich zum Ansehen der Universität beitragen, sondern auch Impulse in der öffentlichen Diskussion um die Besonderheiten und Macht der Bilder setzen", betont der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität, Prof. Dr. Georg Krausch. "Denn Gottfried Boehm ist hervorragend geeignet, wissenschaftliche Themen dem Publikum anschaulich und doch auf hohem Niveau zu vermitteln."
Eingerichtet hat die "Vereinigung der Freunde" die Stiftung "Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur" aus Anlass des 600. Geburtstags von Johannes Gutenberg im Jahr 2000. Inhaber der Stiftungsprofessur waren der Kulturhistoriker und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Fritz Stern (2000), der führende Vertreter der Evolutionsbiologie und Pionier der Soziobiologie Bert Hölldobler (2001), der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (2002), der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung Wolfgang Frühwald (2003), der ehemalige Exekutiv-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Klaus Töpfer (2004), der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka (2005), der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger (2006), der Immunologe Fritz Melchers (2007), der Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma (2008), Karl Kardinal Lehmann (2009) und die Neuropsychologin und Kognitionswissenschaftlerin Angela D. Friederici (2010).
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