Wo ist das Original des Flower-Porträts?

Deklariertes Flower-Porträt William Shakespeares war nicht das Originalbild

24.10.2007

Das im Jahr 2005 in den Laboratorien der Londoner National Portrait Gallery untersuchte und als Fälschung des 19. Jahrhunderts deklarierte Flower-Porträt William Shakespeares war nicht das eigentliche Original des Flower-Porträtbilds, wie die Mainzer Shakespeare-Forscherin Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel nun nachgewiesen hat. Die Echtheitsbeweise für das echte alte Bildnis, unter dem sich eine Madonna aus dem frühen 16. Jahrhundert befindet, hat die Forscherin in Zusammenarbeit mit zahlreichen Experten, darunter der Sachverständige des Bundeskriminalamts, zwischen 1995 und 2005 erbracht und in ihrem Buch Die authentischen Gesichtszüge William Shakespeares (2006) publiziert.

Das um 1840 aufgefundene Flower-Porträt William Shakespeares befindet sich seit 1895 im Besitz der Theatergalerie in Stratford-upon-Avon. Es wurde 1979 gründlich restauriert. Die Echtheit dieses Porträts konnte von der Shakespeare-Forscherin Hildegard Hammerschmidt-Hummel gemeinsam mit zahlreichen Experten nachgewiesen werden. Tarnya Cooper, Kuratorin der National Portrait Gallery in London, hat dagegen zu beweisen versucht, dass das Flower-Porträt eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert sei. Wie nun eine kritische, Coopers Untersuchungen dokumentierende Auswertung des BBC-Films "The Flower Portrait" (2005) ergab, war es aber nicht das Originalbild, das untersucht und im BBC-Film vorgeführt wurde. Als besonders auffallend und beweiskräftig erwies sich die Tatsache, dass das von Cooper angefertigte Röntgenbild, das die unter dem Flower-Porträt befindliche Madonna aus dem frühen 16. Jahrhundert sichtbar machen sollte, sich deutlich unterscheidet von der im Jahre 1966 erstellten und in diesem Jahr in hervorragender Qualität veröffentlichten Röntgenaufnahme des Original-Porträts.

Die Richtigkeit der jüngsten Ergebnisse Hammerschmidt-Hummels wurde von dem ehemaligen BKA-Sachverständigen Reinhardt Altmann und dem Experten für Alte Meister, Prof. Wolfgang Speyer, geprüft und bestätigt. Bereits zwei Jahre vor der von Cooper durchgeführten Ausstellung "Searching for Shakespeare" (2006) hatte die Mainzer Shakespeare-Forscherin den davon betroffenen Stellen mitgeteilt, dass in der Stratforder Sammlung seit ca. 1999 eine Kopie ausgestellt sei, die als Original ausgegeben werde. Hammerschmidt-Hummel stützte sich dabei auf das kriminaltechnische Gutachten Altmanns vom 21. Dezember 2003 und publizierte dieses Ergebnis in einem Appendix-Kapitel ihres Buchs Die authentischen Gesichtszüge William Shakespeares (2006), wobei sie das Original und seine Kopie sowie deren Ausschnitte einander gegenüberstellte.

Im Vorfeld der Ausstellung ließ Tarnya Cooper im Jahre 2005 unter anderem auch das Flower-Porträt untersuchen. Ihr Befund: Bei einer Farbuntersuchung des Flower-Porträts sei Chromgelb festgestellt worden, ein Pigment, das erst um 1814 erhältlich gewesen sei. Daher müsse es sich bei dem Bild um eine Fälschung des 19. Jahrhunderts handeln. Der Kopist habe eine alte Tafel mit der Madonnendarstellung aus dem frühen 16. Jahrhundert wiederverwendet. Nachdem Hammerschmidt-Hummel dieses Ergebnis bereits 2006 öffentlich in Zweifel gezogen hatte, überprüfte sie es Anfang 2007 – nach der Rückkehr des Bildes aus den USA – noch einmal gründlich.

Bei ihrer Inspektion und fotodokumentarischen Erfassung des Flower-Porträts im Depot der Royal Shakespeare Company in Stratford-upon-Avon am 26. Januar 2007 entdeckte Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel, dass sich das dort untersuchte Bild vom originalen Flower-Porträt erheblich unterscheidet und zudem nicht übereinstimmt mit der seit ca. 1999 in Stratford ausgestellten Kopie, die sie 2006 veröffentlichte. Bei dieser Untersuchung stellte sich ferner heraus, dass das gesunde Holz der inspizierten Tafel in eklatantem Widerspruch zu demjenigen des Originalbilds steht, das weit über 400 Jahre alt, fragil und von Würmern zerfressen ist. Diesbezügliche Beschreibungen haben englische Experten, darunter die Direktoren der National Portrait Gallery, der National Gallery und der Royal Academy sowie Fachleute des Britischen Museums und ein bedeutender Kunsthistoriker, bereits gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgenommen.

BBC-Dokumentarfilm "The Flower Portrait"

Die deutsche Shakespeare-Forscherin wertete zudem den BBC-Dokumentarfilm "The Flower Portrait" anhand von Standbildern aus, die Coopers Ergebnisse vorstellen. Sie fand heraus, dass in diesem Film nicht nur eine einzige, sondern überraschenderweise zwei voneinander verschiedene Versionen des Flower-Porträts verwendet wurden, von denen aber keine mit dem Originalbild übereinstimmt. Während es sich bei einer der beiden Kopien mit großer Wahrscheinlichkeit um das im Januar 2007 in Stratford inspizierte Bild handelt, was sich beim Vergleich der Bildkanten zeigt, ist nicht mit Sicherheit zu klären, ob die weitere im Film gezeigte Kopie mit derjenigen identisch ist, die seit circa 1999 einige Jahre lang in Stratford ausgestellt war.

Diese zweite Kopie wurde – wie das Standbild des Films deutlich zeigt – geröntgt, um die bekanntlich unter dem Shakespeare-Bildnis vorhandene Madonna aus dem frühen 16. Jahrhundert sichtbar zu machen. Bei diesem Vorgang ist die Kamera voll auf das Profil der Oberkante des Bildes gerichtet. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass dieses Holz noch dicker, jünger, stabiler und gesünder ist als das der in Stratford besichtigten Kopie. Es kann sich somit nicht um das weit über 400 Jahre alte Original handeln.

Die im Jahr 2005 in den Laboratorien der National Portait Gallery unter Coopers Leitung erstellte Röntgenaufnahme wird im Film als Gesamtaufnahme eingeblendet und von Cooper erklärt. Hammerschmidt-Hummel verglich dieses Röntgenbild mit demjenigen, das 1966 vom originalen Flower-Porträt im Londoner Courtauld Institute angefertigt wurde, und stellte fest, dass diese beiden Röntgenaufnahmen ganz erhebliche Unterschiede aufweisen. Während die Konturen auf der alten Aufnahme scharf und alle Details sichtbar sind (zum Beispiel verläuft die rechte Kopfumrisslinie der Madonna klar erkennbar durch das linke Auge Shakespeares und zwar scharf an der nasalen Seite der Pupille entlang), sind die Umrisslinien auf dem neuen Röntgenbild unscharf und verwischt und Details nur schwer auszumachen. Fälschlicherweise ist es in diesem Fall – soweit erkennbar – der Nasenrücken der Madonna, der durch Shakespeares linkes Auge gelegt wurde.

Daraus ist zu schließen: Bei der Madonna unter dem Shakespeare-Bildnis muss es sich um eine Kopie handeln. Daher kann auch das in der National Portrait Gallery untersuchte Porträt Shakespeares nicht echt sein. Überraschend und besonders erklärungsbedürftig ist ferner, dass im BBC-Film unmittelbar nach der Gesamtaufnahme ein vergrößerter Ausschnitt des Röntgenbildes gezeigt wird mit dem Kopf Shakespeares und der Madonna. Dieser Ausschnitt stimmt vollkommen überein mit der Röntgenaufnahme des Originals aus dem Jahre 1966. Der von Cooper bearbeitete und herausgegebene Katalog "Searching for Shakespeare" (2006) enthält im Allgemeinen Aufnahmen von hervorragender Qualität. Ihre Reproduktion der Röntgenaufnahme des Flower-Porträts aber ist blass und unscharf. Dennoch ist zu erkennen, dass hier das Röntgenbild des Originals aus dem Jahre 1966 als Vorlage gedient hat. Bei dem im Katalog abgebildeten Flower-Porträt handelt es sich sehr wahrscheinlich um die von Hammerschmidt-Hummel im Januar 2007 untersuchte Version im Depot der Stratforder Theatergalerie.

Die in zwei Ausarbeitungen dargelegten jüngsten Erkenntnisse der Shakespeare-Expertin wurden von dem ehemaligen BKA-Sachverständigen Reinhardt Altmann geprüft. In seiner Stellungnahme vom 20. Juni 2007 hebt Altmann hervor, dass die Untersuchungen Hammerschmidt-Hummels "mit daktyloskopischer Präzision" durchgeführt wurden und erklärt, dass er ihre Aussage "voll und ganz teile. Auch der hinzugezogene Experte für Alte Meister, Prof. Wolfgang Speyer von der Universität Salzburg, hat die Ergebnisse der Mainzer Shakespeare-Forscherin überprüft und für richtig befunden.