Forschungsprojekt zum Einfluss niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf neurodegenerative Erkrankungen
07.10.2008
Die Ursachen für das Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit oder der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sind bis heute unbekannt. Zwar wird ein geringer Teil der Fälle durch genetische Mutationen bei bestimmten Proteinen ausgelöst, in den weitaus meisten Fällen konnte aber bisher keine genaue Ursache festgestellt werden. So liegt die Vermutung nahe, dass neben einer möglichen genetischen Prädisposition Umweltfaktoren, der Lebensstil oder die Arbeitsumgebung das Ausbrechen und den Verlauf der Erkrankungen beeinflussen. Unter Federführung von Dr. Albrecht Clement und Prof. Dr. Christian Behl am Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird nun in einem vom Bundesamt für Strahlenschutz geförderten Projekt untersucht, ob die lang andauernde Exposition mit niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung Einfluss auf den Verlauf der Alzheimer-Krankheit und der ALS hat.
Seit mehreren Jahren wird kontrovers diskutiert, ob elektromagnetische Strahlung, oft auch als Elektrosmog bezeichnet, die Befindlichkeit verändert oder gar Krankheiten auslösen kann. Dazu gehören sowohl hochfrequente elektromagnetische Felder, wie sie von Mobiltelefonen oder den Sendemasten der Mobilnetze erzeugt werden, als auch niederfrequente elektromagnetische Strahlung, die unter anderem durch Hochspannungsleitungen und Elektrogeräte abgegeben wird. Gerade in den letzten Monaten ist die Frage ins öffentliche Interesse gerückt, ob Strahlung, die von Mobiltelefonen ausgeht, Krebs auslösen kann.
Mehrere epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass Personen, die aus beruflichen Gründen lange mit niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung exponiert waren, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an der Alzheimer-Demenz oder ALS erkranken. Diese epidemiologischen Studien weisen zwar auf eine direkte Korrelation hin, die molekularen Ursachen für eine derartige Wirkung elektromagnetischer Strahlung sind bisher aber nur wenig untersucht. Außerdem werden diese epidemiologischen Studien zunehmend kritisch bewertet, da sie sich sowohl im Verfahren der Datenerhebung als auch in der Anzahl der untersuchten Fälle zum Teil gravierend unterscheiden. Da die bisherigen Daten kein einheitliches Bild ergeben, wird in einem von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichten Bericht keine explizite Warnung vor niederfrequenten Strahlungen ausgesprochen (WHO; Environmental Health Criteria 238; 2007).
Im Rahmen des vom Bundesamt für Strahlenschutz geförderten Projektes soll nun untersucht werden, ob die lang andauernde Exposition mit niederfrequenter elektromagnetischer Strahlung den Krankheitsverlauf und die Pathogenese bei Mausmodellen der Alzheimer-Krankheit und der ALS beeinflusst. Die Versuche werden in Zusammenarbeit mit der Zentralen Versuchstiereinrichtung (ZVTE) und der Klinik für Nuklearmedizin der Universitätsklinik Mainz durchgeführt. In dem für vier Jahre konzipierten Projekt werden die Tiere in Verhaltensstudien untersucht und die pathologischen Veränderungen im Nervensystem analysiert. Albrecht Clement und Christian Behl hoffen, dass sie mit dieser Studie einerseits einen Beitrag zum tieferen Verständnis der Wirkung elektromagnetischer Strahlung leisten können. Andererseits könnte die Studie Hinweise auf die Ursachen sporadischer, nicht genetisch assoziierter Krankheitsfälle der Alzheimer-Demenz und der ALS liefern.
In Deutschland ist derzeit etwa eine Million Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen. Schätzungen zufolge könnten bis zum Jahr 2050 rund 1,3 Millionen Demenzpatienten hinzukommen, falls der Erkrankung kein Einhalt geboten werden kann.