Wählermanipulation durch neue Technologien: Deutschland nicht mit den USA vergleichbar

Neue Forschung von Kommunikationswissenschaftler der Universität Mainz zeigt, inwiefern Wählerinnen und Wähler mit Daten und neuesten Technologien von Parteien im Wahlkampf manipuliert werden

24.01.2024

In diesem Superwahljahr wird nicht nur im Osten Deutschlands und bei der Europawahl gewählt, sondern auch in über 50 Ländern der Welt. Dabei setzen Parteien Wählerdaten und neueste Technologien ein, um Wähler zu beeinflussen. Dieser Einsatz steht im Mittelpunkt weltweiter Debatten um die Manipulation von Wählern, Verstöße gegen bestehende Gesetze und die Unterwanderung von Demokratien. In dem neuen Buch "Data-Driven Campaigning and Political Parties" präsentiert Dr. Simon Kruschinski vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) neue Erkenntnisse darüber, wie Parteien persönliche Wählerdaten und neueste Technologien in ihren Wahlkämpfen nutzen und welche Gefahren davon für Demokratien ausgehen. Dafür hat der Mainzer Kommunikationswissenschaftler gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Katharine Dommett von der University of Sheffield in Großbritannien und dem australischen Kampagnenexperten Dr. Glenn Kefford mit über 300 Kampagnenstrategen in Australien, Kanada, Deutschland, Großbritannien und den USA gesprochen.

Überzeugungsversuche werden gezielt auf bestimmte Wählergruppen konzentriert

Die Studie zeigt, dass Parteien Daten und Technologien einsetzen, um ihre Überzeugungsversuche auf ausgewählte Wählergruppen zu konzentrieren. Dabei werden andere, für die Parteien uninteressante Wähler bewusst ausgeschlossen. Inwieweit diese Praxis Konsequenzen für die politische Beteiligung und Repräsentation der Bürger in Demokratien hat, hängt laut Simon Kruschinski von der Art und Weise des Einsatzes von Daten und Technologien ab.

Der Kommunikationsforscher stellt fest: "Insbesondere in Deutschland schränken strikte nationale und europäische Datenschutzgesetze, geringe Wahlkampfbudgets und ein Mangel an technischem Know-how die ausgeklügelte Nutzung von Daten und Technologien wie in den USA ein. Dies senkt die Gefahr einer Manipulation von Wählern und der Unterwanderung von demokratischen Prozessen in Deutschland, aber verhindert diese nicht gänzlich." Der Ländervergleich der Studie zeigt, dass deutschen Parteien aussagekräftige Daten über Wähler fehlen, sie vor allem oberflächliche Wählergruppen bilden, kaum maßgeschneiderte Botschaften einsetzen und fehleranfällige Technologien nutzen. Dennoch greifen alle Parteien auf die ausgeklügelten Möglichkeiten zur Wähleransprache von Facebook und Instagram zurück. Dies kritisiert Simon Kruschinski: "Mit der zielgerichteten Wähleransprache auf Facebook und Instagram bewegen sich Parteien mit Blick auf den Datenschutz in einer Grauzone und überlassen undurchsichtigen Algorithmen der Plattformen wichtige Funktionen, von deren Erfüllung das Funktionieren der deutschen Demokratie wesentlich abhängt."

Potenzial zum Missbrauch durch politische Parteien vorhanden – Regulierung erforderlich

In dem Buch werden wichtige Fragen zur Regulierung des Einsatzes von Social Media, Big Data und künstlicher Intelligenz diskutiert. Hierzu führt Kruschinski aus: "Der Einsatz von Social Media, Big Data und künstlicher Intelligenz in politischen Kampagnen ist nicht per se problematisch. Dennoch besitzen diese Entwicklungen ein Potenzial zum Missbrauch durch politische Parteien. Dieses Missbrauchspotenzial muss durch effektive und evidenzbasierte Regulierung so gut es geht minimiert werden."