Schuldnerfachberatungszentrum veröffentlicht Stellungnahme
06.10.2009
Das Schuldnerfachberatungszentrum (SFZ) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz schlägt Alarm: In der Praxis der Schuldner- und Insolvenzberatung bestehe die Gefahr, dass der fachliche Beratungsstandard der Vertraulichkeit nicht mehr angemessen umgesetzt wird, teilt das SFZ in einer Stellungnahme auf seiner Homepage mit. Falls die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist, befürchtet das SFZ, dass die Beratung nicht mehr gelingt bzw. überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen wird. Grund für die Sorge sind Hinweise aus den Schuldnerberatungsstellen, wonach Leistungsträger wie die ARGE Einzelheiten über die Beratung erfahren wollen, die weit über das notwendige Maß hinausgehen. "Außerdem widerspricht die Preisgabe dieser Informationen sowohl den Datenschutzbestimmungen als auch der Schweigepflicht", teilt Joachim Wenzel vom Schuldnerfachberatungszentrum dazu mit.
Der Gesetzgeber hat vor zehn Jahren die Möglichkeit zur Privatinsolvenz geschaffen, damit Betroffene eine Chance haben, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Seitdem ist die Zahl der Verfahren kontinuierlich gestiegen. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamts registrierten die zuständigen Amtsgerichte im Jahr 2008 insgesamt 155.202 Insolvenzen, darunter 98.140 Verbraucherinsolvenzen (zumVergleich: 1999: 1.634 / 2003: 32.131). "Die Menschen können anschließend neu starten und wieder eine Lebensperspektive entwickeln. Das war zuvor kaum möglich", so Wenzel. Bei dem Verfahren werden sie von einer Schuldnerberatungsstelle begleitet, die auch Auskünfte über das Vermögen und die finanzielle Situation bekommen muss. "Diese Beratungsinhalte müssen aber absolut vertraulich bleiben und dürfen nicht von Dritten abgefragt werden." Wenzel weist darauf hin, dass die Vertraulichkeit durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geregelt ist, ein Verstoß sei ein Eingriff in die Grundrechte.
Müssen die Betroffenen aber davon ausgehen, dass ihre Daten bspw. an den Fallmanager der ARGE weitergegeben werden, ist der Erfolg der Beratung konkret bedroht. Häufig gehen Arbeitslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit Hand in Hand, weshalb die Bundesagentur für Arbeit oder auch die Kommunen die Betroffenen zu Schuldnerberatungsstellen schicken, von denen es mittlerweile rund 950 in ganz Deutschland gibt.
Damit die Vertraulichkeit besser geschützt wird, sollte nach Auffassung des SFZ der Vertrauensschutz in den entsprechenden Gesetzen ausdrücklich festgeschrieben werden. "Dies wäre durch Ergänzungen in den Sozialgesetzbüchern II und X, im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung umsetzbar", heißt es in der Stellungnahme. Zusammenfassend heißt es weiter: "Eine gesetzliche Klarstellung und Erweiterung des Schutzes der Vertraulichkeit der Schuldner- und Insolvenzberatung würde den Grundrechtsschutz der Ratsuchenden in der Praxis erheblich verbessern und gleichzeitig dem Gemeinwohl im Sinne der Realisierung des Sozialstaatsprinzips dienen."
Das Schuldnerfachberatungszentrum an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist eine in dieser Form in Deutschland einzigartige Einrichtung: Es wurde vom Land Rheinland-Pfalz 1999 zur Begleitung der Schuldner- und Insolvenzberatungen eingerichtet, betreibt aber auch eigenständige Forschung. Juristen und Pädagogen arbeiten hier eng zusammen. Es ist direkt an die Universität angegliedert und zwar an die Fachbereiche 02 - Sozialwissenschaften, Medien und Sport und 03 - Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Über zahlreiche Projekte ist das Kompetenzzentrum für Schuldner- und Insolvenzberatung mit anderen Universitätsbereichen vernetzt, u.a. mit dem Exzellenzcluster „Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke“ und dem „Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin“.