Transportstörung des endogenen Überlebensfaktors BDNF als Mitverursacher des Morbus Huntington entlarvt
09.07.2004
Der Morbus Huntington ist eine erbliche, neurodegenerative Erkrankung, die auf den Verlust von Nervenzellen im Striatum, dem Gehirnzentrum zur Steuerung der Bewegungskoordination, der Patienten zurückzuführen ist. Die Krankheit, die auch Erblicher Veitstanz oder Chorea Huntington genannt wird, tritt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf und ist durch den zunehmenden Verlust der Bewegungssteuerung gekennzeichnet. Dies führt zur Lähmung und nach 15 bis 20 Jahren schließlich zum Tod. Die international hoch renommierte biomedizinische Fachzeitschrift Cell berichtet über Arbeiten, die unter Beteiligung eines Mainzer Forschers erstellt wurden und die Ursachen des Morbus Huntington verstehen helfen.
Mit einer Häufigkeit von einem Erkrankten auf 10.000 Personen ist der Morbus Huntington eine der häufigsten genetisch bedingten neurodegenerativen Erkrankungen. Er gehört zu der Gruppe der Poly-Glutamin-Expansionskrankheiten, bei denen die jeweils betroffenen mutierten Proteine eine abnorm hohe Wiederholung der Aminosäure Glutamin aufweisen.
Im Falle des Morbus Huntington führt eine Mutation in dem Gen des Proteins Huntingtin zu einer Verlängerung des Poly-Glutamin-Bereiches und ultimativ zum Nervenzelltod in der Hirnregion des Striatums. Darüber hinaus zeigten neuere Befunde, dass der im Gehirn endogen produzierte Wachstumsfaktor brain-derived neurotrophic factor (BDNF) wesentlich am Überleben der Striatum-Neurone im gesunden Gehirn beteiligt ist und dass die Konzentration von BDNF beim Morbus Huntington im Striatum auffällig erniedrigt ist. Der Zusammenhang zwischen beiden Befunden blieb jedoch bisher unklar.
In Zusammenarbeit mit einer französischen Arbeitsgruppe am Institut Curie in Orsay, geleitet von Dr. Frederic Saudou und Dr. Sandrine Humbert, gelang es PD Dr. Volkmar Lessmann vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), AG Prof. Dr. Luhmann, diesen Zusammenhang nun herzustellen. Ihre Studie zeigt, dass das mutierte Huntingtin den intrazellulären Transport des Überlebensfaktors BDNF in Neuronen behindert: Da BDNF im Striatum selbst nicht synthetisiert werden kann, muss der Wachstumsfaktor von seinem Herstellungsort in der Großhirnrinde zum Striatum hin transportiert werden. Dieser Transport erfolgt im gesunden Gehirn entlang von Nervenfasern, die aus dem Großhirn zum Striatum ziehen. Dort wird BDNF aus den Endigungen der Nervenfasern ausgeschüttet und entfaltet seine lebenserhaltende Wirkung auf die Neurone des Striatums. Das mutierte Huntingtin hemmt nun allerdings die Wechselwirkung der BDNF enthaltenden Transportpakete (Vesikel) mit den intrazellulären Transportschienen (Mikrotubuli) in den Nervenfasern. Da in der Folge zu wenig BDNF in das Striatum gelangt, kommt es dort zum Neuronensterben.
Die Untersuchungen zur Ausschüttung von BDNF werden in Mainz fortgesetzt und durch das Teilprojekt C12 des Sonderforschungsbereiches 553 (Sprecher: Prof. Dr. Ulrich Förstermann) gefördert. Die Ergebnisse sollten helfen, in Zukunft gangbare Wege bei der Therapie des Morbus Huntington aufzuzeigen.