Forschungsflugzeug HALO untersucht Transport von Treibhausgasen und Aerosolen über Pazifik
04.08.2023
GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG DES FORSCHUNGSZENTRUMS JÜLICH UND DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ
Extreme Regenfälle des asiatischen Monsuns sorgen in Südostasien immer wieder für katastrophale Zerstörungen. Doch die Auswirkungen dieses großräumigen Wettersystems reichen weit über den indischen Subkontinent hinaus – etwa durch den Transport stark verschmutzter Luftmassen aus der bodennahen Atmosphäre in Südostasien bis in die untere Stratosphäre über Europa. Diesen Transport untersucht ein Team von Atmosphärenforscher*innen in den nächsten zwei Monaten im Rahmen der Messkampagne PHILEAS, kurz für "Probing High Latitude Export of Air from the Asian Summer Monsoon". Unter Leitung des Forschungszentrums Jülich und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) werden ab Sonntag von Oberpfaffenhofen, Bayern, und in zwei Wochen von Anchorage, Alaska, aus für insgesamt etwa zwei Monate Messflüge mit dem bis in 15 Kilometer Höhe aufsteigenden Forschungsflugzeug HALO durchgeführt. Sie sollen Aufschluss über Transport- und Mischungsvorgänge in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre geben, die das globale Klima und Wetter beeinflussen.
Während der Sommermonate beeinflusst der asiatische Monsun die Verteilung von Aerosolen und Treibhausgasen auf der gesamten Nordhalbkugel. Durch seine großräumige Konvektion transportiert er Luft aus der verschmutzten bodennahen Grenzschicht in Südostasien bis in rund 16 Kilometer Höhe. Dort sammelt sich die verschmutzte Luft in der sogenannten Monsun-Antizyklone, einem riesigen Hochdruckgebiet in der oberen Troposphäre. Die Monsun-Antizyklone erstreckt sich zeitweise von der arabischen Halbinsel bis zur asiatischen Pazifikküste. Von diesem Hochdruckgebiet spalten sich im Laufe des Sommers und im Frühherbst immer wieder Luftwirbel mit verschmutzter Luft ab, also mit erhöhten Konzentrationen an Treibhausgasen und Aerosolen. Diese Wirbel wandern dann Richtung Nordosten über den Pazifik und werden schließlich in die untere Stratosphäre eingemischt. Neben den Verschmutzungen wird bei diesen Prozessen auch Wasserdampf in die untere Stratosphäre transportiert, der speziell in dieser Höhenregion klimarelevant ist.
"In der ersten Phase von PHILEAS soll die verschmutzte Luft in der Monsun-Antizyklone durch Messflüge von Oberpfaffenhofen in Richtung arabische Halbinsel untersucht werden. Der Transport der verschmutzten Luftwirbel über den Pazifik nach hohen Breiten und das Mischen in die untere Stratosphäre werden in einer zweiten Kampagnenphase durch Messflüge von Anchorage aus untersucht", berichtet Prof. Dr. Martin Riese, Direktor des Forschungsbereichs Stratosphäre am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK) des Forschungszentrums Jülich. Um den großräumigen Einfluss der Transport- und Mischungsvorgänge auf die Hintergrundatmosphäre bei hohen Breiten in Verbindung bringen zu können, endet PHILEAS mit einer Messphase von Oberpfaffenhofen aus Anfang Oktober 2023. Aus dem Vergleich mit der frühen Phase lässt sich der Einfluss des Monsunsystems auf die untere Stratosphäre über Europa ableiten. Dafür gibt es aus früheren HALO-Expeditionen schon deutliche Hinweise.
"Neben dem Ferntransport aus der Monsunregion ist die Untersuchung der verheerenden Waldbrände in Kanada ein weiteres Ziel der Messungen. Die Brände haben auch einen Einfluss auf die Stratosphäre: Die Feuer können heftige Konvektion auslösen und Aerosole und Verschmutzung sogar in Höhen von 12 Kilometern oder höher eintragen. Durch die neuartige Nutzlast bei PHILEAS haben wir die Chance, den Einfluss solcher Rauchfahnen auf die Zusammensetzung dieser Höhenregion und deren Entwicklung zu untersuchen", erläutert Prof. Dr. Peter Hoor, Leiter der Gruppe für Flugzeugmessungen am Mainzer Institut für Physik der Atmosphäre. Die PHILEAS-Daten sind auch ein zentrales Element für Transport- und Aerosolstudien im Rahmen des SFB/Transregio 301 "TPChange", der von Hoor an der JGU geleitet wird.
Bei den Messflügen werden speziell entwickelte Geräte eingesetzt, die innovative Fernerkundungsmethoden mit hochgenauen lokalen Messungen am Flugzeug kombinieren. Wichtige Schadstoffmarker werden von der Arbeitsgruppe Hoor gemessen, wie zum Beispiel Kohlenmonoxid, Methan und Ethan, die verwendet werden können, um unterschiedliche Schadstoffquellen zu identifizieren. Die Aerosolzusammensetzung wird mit dem neuartigen ERICA-Instrument gemessen, das gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Chemie und der JGU entwickelt wurde. Um die Messflüge optimal an die meteorologische Situation anzupassen, sind auch Atmosphärenmodellierer*innen des Forschungszentrums Jülich vor Ort, die hierzu Vorhersagen des Jülicher Atmosphärenmodells CLaMS nutzen. Ein zentrales Messgerät an Bord von HALO ist das Infrarotspektrometer GLORIA, das Wissenschaftler*innen der Stratosphärenforschung und Ingenieur*innen des Zentralinstituts für Engineering, Elektronik und Analytik in Jülich gemeinsam mit Kolleg*innen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt und gebaut haben. Das Instrument erlaubt erstmals eine dreidimensionale tomografische Vermessung von Temperatur, Wolkenparametern und einer Vielzahl von Spurengasen in der Atmosphäre.
Die Partner
Partner im PHILEAS-Projekt sind neben dem Forschungszentrum Jülich und der JGU das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig (TROPOS), das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz sowie die Universitäten Frankfurt und Wuppertal. Die wissenschaftlichen Flüge werden von einem etwa 70 Personen starken Team unterstützt.
HALO
Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaats Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Forschungszentrums Jülich (FZJ) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das DLR ist zugleich Eigner und Betreiber des Flugzeugs.