Reparatur-Enzyme RNase H1 und RNase H2 sind in verschiedenen Phasen aktiv, um DNA-Schädigungen infolge von RNA-DNA-Hybriden zu beheben
20.02.2020
Tagtäglich wird die Erbsubstanz DNA in unseren Zellen über tausend Mal geschädigt, sie wird aber meistens auch wieder repariert. Die Reparatur eines DNA-Schadens gelingt allerdings nicht in jedem Fall und es kann zu Mutationen kommen, die unter Umständen die Entwicklung von Krebs und anderen Krankheiten begünstigen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Biologie (IMB) um Prof. Dr. Brian Luke und Prof. Dr. Helle Ulrich haben nun gezeigt, wie eine Schädigung der DNA, die von RNA-DNA-Hybriden ausgeht, in der Zelle wieder behoben wird. Eine maßgebliche Rolle spielen dabei zwei Enzyme, die den Forschungsergebnissen zufolge unterschiedlich reguliert werden.
Die DNA ist der Speicher der Erbinformation. Sie liegt normalerweise in den Zellen als stabile Struktur aus zwei Strängen, die eine Doppelhelix bilden, vor. Manchmal interagiert DNA aber auch mit RNA, die meist als Einfachstrang vorkommt und in der Zelle unterschiedliche Funktionen übernimmt. Durch die Interaktion entstehen RNA-DNA-Hybride, Doppelstrangmoleküle aus einer DNA- und einer RNA-Kette. "Zuerst dachte man, RNA-DNA-Hybride seien nur eine Art der DNA-Schädigung, aber nach und nach stellte sich heraus, dass die RNA-DNA-Mischformen auch wertvolle Aufgaben übernehmen", erklärt Brian Luke, Gruppenleiter am IMB und Professor am Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Eine wichtige Rolle spielen diese Strukturen unter anderem bei der Erhaltung normaler Zellaktivitäten wie der Genregulation und der DNA-Reparatur. Aber trotzdem: Zu viele RNA-DNA-Hybride stellen ein Risiko dar und es kann durch DNA-Schädigung zu neurodegenerativen Krankheiten wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und Krebserkrankungen kommen.
Reparatur-Enzyme RNase H1 und RNase H2 zu unterschiedlichen Zeiten aktiv
Die Arbeitsgruppen von Luke und Ulrich verwendeten Hefezellen, um die Dynamik der RNA-DNA-Strukturen besser zu verstehen und die spezielle Rolle der Enzyme RNase H1 und RNase H2 bei der Beseitigung der Hybridstrukturen aufzuklären. Um herauszufinden, welche Aufgabe die beiden Enzyme übernehmen, wurden Hefezellen so manipuliert, dass sie das jeweilige Enzym nur in bestimmten Phasen des Zellzyklus erzeugen. Gleichzeitig wurde die Herstellung von sogenannten R-Loops, einer besonderen Form von RNA-DNA-Hybriden, in den Hefezellen angeregt. Nur Hefe, die R-Loops effektiv beseitigt, kann überleben.
Die Molekularbiologen stellten fest, dass die beiden Enzyme zu unterschiedlichen Zeitpunkten intervenieren. Das Enzym RNase H2 entfernt RNA-DNA-Hybride vorwiegend nach der Verdopplung der DNA im Zellkern, also bevor es zur nächsten Teilung der Chromosomen kommt. Noch verbleibende RNA-DNA-Strukturen werden dann von dem Partnerenzym RNase H1 entfernt und zwar zu jeder Zeit, ganz unabhängig vom Zellzyklus.
Zur Überraschung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigte sich zudem, dass die DNA sogar geschädigt wird, wenn die Hefezellen das Enzym RNase H2 während der Phase der DNA-Verdopplung erzeugen. In diesem Fall muss eine Reparatur über einen anderen Weg erfolgen: die homologe Rekombination. Bislang war nicht bekannt, dass dieser Reparaturpfad während der Phase der DNA-Verdopplung funktioniert.
RNase H2 übernimmt Erstversorgung für DNA-Reparatur
Die Forschungsarbeit gibt somit einen Hinweis darauf, warum Zellen zwei unterschiedliche Reparatur-Enzyme zur Beseitigung von RNA-DNA-Hybriden entwickelt haben. "Wir denken, dass RNase H2 sozusagen die Hausmeisteraufgaben übernimmt und die meisten Schäden repariert, aber nur in einer bestimmten Phase des Zellzyklus seine Aufgabe erfüllt", fasst Luke die Ergebnisse zusammen. RNase H1 dagegen tritt erst später auf den Plan, um unabhängig vom Zellzyklus die Reste zu entfernen beziehungsweise zu reparieren. Das "Helferenzym" scheint besonders als Antwort auf eine hohe R-Loop-Belastung aktiv zu werden.
"Mit diesen Ergebnissen verstehen wir besser, wie die Zellen DNA-Schäden, ausgelöst durch RNA-DNA-Hybride, reparieren und wie eine Beeinträchtigung dieses Prozesses zur Entstehung von Krankheiten beiträgt", so Luke.