Studie ermittelt Kinderkrebsrisiko nach Exposition durch computertomografische Untersuchungen

Krebsinzidenz leicht erhöht / Mehr Fälle als erwartet

24.02.2015

Laut Studien aus Großbritannien, Australien und Taiwan erhöhen computertomografische Untersuchungen im Kindesalter das Risiko, später an Krebs zu erkranken. Ob dieser Zusammenhang auch in Deutschland festzustellen ist, hat das Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zusammen mit dem Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS GmbH untersucht. Die Studie widmet sich der konkreten Frage, ob Kinder, die mindestens eine diagnostische computertomografische Untersuchung durchlaufen haben, häufiger an Leukämie oder einem Hirntumor erkranken als Kinder, die nicht mit diesem bildgebenden Verfahren untersucht wurden. Für beide Tumorarten gilt Strahlenexposition als Risikofaktor. Die Auswertung der Studiendaten ergab, dass 39 Kinder frühestens zwei Jahre nach der ersten Computertomografie (CT) ein Tumorleiden entwickelt hatten. Die Forscher hatten theoretisch rund 21 Krebsfälle erwartet. Die Ergebnisse der sogenannten KiCT-Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Radiation and Environmental Biophysics publiziert.

Unter der Projektleitung von Prof. Dr. Maria Blettner, Leiterin des Instituts für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, und Dr. Lucian Krille vom IMBEI analysierten die Wissenschaftler für die Studie Daten von rund 45.000 Kindern im Alter bis 15 Jahren. Die Kinder waren zwischen 1980 und 2010 mindestens einmal mit einer CT diagnostisch untersucht worden und zum Zeitpunkt der CT-Untersuchung nicht an Krebs erkrankt. Die Besonderheit dieser deutschen multizentrischen Kohortenstudie liegt darin, dass die Forscher nicht nur das Deutschen Kinderkrebsregister als Datenbasis nutzten, sondern auch radiologische Befundtexte aus 20 Krankenhäusern auswerteten. Die Auswertung des Datenmaterials erfolgte einerseits hinsichtlich einer vergleichenden Darstellung der Krebsinzidenz, also der Häufigkeit von Neuerkrankungen, zwischen Kohorte und Allgemeinbevölkerung sowie anderseits der Krebsinzidenz in Abhängigkeit von der individuellen Dosis an Strahlenexposition. Ziel der Forscher war es, das Krebsrisiko bei einer niedrigen Strahlenbelastung von etwa 10 bis 50 Millisievert beziffern zu können, das durch den Kontakt mit ionisierender Strahlung bei CTs entsteht.

Die individuelle Strahlenexposition bestimmten die Forscher anhand von Datenbeständen klinischer, radiologischer Institute. Durch einen Abgleich mit dem Deutschen Kinderkrebsregister konnten sie die neu an Krebs erkrankten Kinder identifizieren. Die Auswertung des Datenmaterials zeigte, dass mehr Fälle zu beobachten waren als erwartet, allerdings bei sehr niedrigen Fallzahlen: 7 Patienten mit einer Krebserkrankung des Zentralen Nervensystems bei 5,2 erwarteten, 12 statt der erwarteten 7 Leukämiepatienten und 20 Patienten, die unter einer anderen Tumorart litten, waren als Kind computertomografisch untersucht wurden. Aus dem Vergleich von beobachteten und erwarteten Erkrankungszahlen errechneten die Forscher das sogenannte standardisierte Inzidenzverhältnis oder SIR-Standardized Incidence Ratio. Demnach wurden insgesamt 1,87-mal so viele Fälle beobachtet wie erwartet, für Krebserkrankungen des Zentralen Nervensystems beträgt dieser Quotient 1,35 und für Leukämien 1,72. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sind die beobachteten Werte also leicht erhöht.

"Diese Werte müssen jedoch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Menschen, bei denen als Kind eine CT-Diagnostik erforderlich war, vermutlich einen ohnehin insgesamt schlechteren Gesundheitszustand hatten beziehungsweise haben als Personen, die ihr ganzes Leben keine CT-Untersuchung gebraucht haben", erläutert Blettner. "Erfreulicherweise gehen deutsche Ärzte mit CT-Untersuchungen bei Kindern sehr verantwortungsvoll um. Dies zeigen die im internationalen Vergleich eher moderaten CT-Verordnungszahlen bei jungen Patienten in Deutschland." Die Leiterin der Sektion Kinderradiologie der Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsmedizin Mainz und Co-Autorin der Studie, Prof. Dr. Gundula Staatz, ergänzt: "Dennoch sollten die Mediziner stets überlegen, ob eine Diagnose mittels CT unbedingt erforderlich ist oder ob auch andere diagnostische Verfahren wie beispielsweise die Kernspintomografie in Frage kommen."