Schäden in nichtmagnetischem Stahl mit Magnetismus aufspüren

Forscher der JGU und der TU Kaiserslautern legen Studie zur Werkstoffprüfung vor

24.07.2018

Verschleiß, Korrosion, Materialermüdung – diese Abnutzungserscheinungen sind den meisten Werkstoffen gemein. Umso wichtiger ist es, Schäden früh zu entdecken, am besten schon im Mikrobereich. Dazu werden oft magnetische Prüfverfahren verwendet. Bei nichtmagnetischem Stahl war das bislang unmöglich. Forscher aus Kaiserslautern und Mainz haben nun ein Verfahren entwickelt, bei dem sie eine dünne magnetische Schicht auf Stahl aufbringen. Änderungen in der Mikrostruktur lassen sich so durch Veränderungen magnetischer Effekte aufspüren. Auch Werkstoffe wie Aluminium können auf diese Weise überprüft werden. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Journal of Magnetism and Magnetic Materials erschienen.

Stahl zählt zu den meistgenutzten Werkstoffen. Er findet in vielen Varianten Verwendung, etwa als rostfreier Edelstahl, hochfester Vergütungsstahl oder preisgünstiger Baustahl. Stähle können magnetisch oder nichtmagnetisch sein. Sie kommen in Besteck, in Bauteilen von Fahrzeugen oder in Stahlträgern von Gebäuden und Brücken zum Einsatz. Mitunter ist Stahl hohen Temperaturen oder Spannungen ausgesetzt. "Dabei können mikrostrukturelle Änderungen, Risse oder Bauteilversagen die Folge sein", sagt Dr. Marek Smaga, der am Lehrgebiet für Werkstoffkunde an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) forscht. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von Materialermüdung. Solche Schäden sind zunächst nur auf der Mikroebene sichtbar. Mit magnetischen Prüfverfahren ist es bislang aber nicht möglich, bei nichtmagnetischem Stahl Veränderungen in diesem Bereich früh zu entdecken. Genau daran arbeiten Ingenieure der TUK und Physiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und stellen in ihrer aktuellen Studie eine Lösung vor. Das Besondere: Sie machen sich magnetische Effekte zunutze, obwohl es sich um nichtmagnetisches Material handelt.

Die Mainzer Forscher haben einen nichtmagnetischen Stahl mit unterschiedlichen, jeweils 20 Nanometer dünnen magnetischen Filmen beschichtet, die aus Terfenol-D, einer Legierung aus den chemischen Elementen Terbium, Eisen und Dysprosium, oder aus Permalloy, einer Nickel-Eisen-Verbindung, bestehen. Um im Anschluss zu überprüfen, ob sich Dehnungen des Stahls im mikroskopischen Bereich nachweisen lassen, haben die Physiker ein sogenanntes Kerr-Mikroskop verwendet. "Hierbei findet der sogenannte Kerr-Effekt Verwendung, mit dem sich die magnetischen Mikrostrukturen, die sogenannten Domänen, über die Drehung der Polarisationsrichtung von Licht abbilden lassen", erläutert Dr. Marek Smaga das Verfahren.

Die Wissenschaftler haben wenige Millimeter große magnetisch beschichtete Stahlplättchen untersucht, die zuvor einer mechanischen Belastung ausgesetzt waren. "Wir haben beobachtet, dass es zu einer charakteristischen Veränderung der magnetischen Domänenstruktur kommt", erklärt PD Dr. Martin Jourdan vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Die mikroskopischen Dehnungen im nichtmagnetischen Stahl führen dazu, dass sich die Magnetisierungsrichtung der dünnen Schicht verändert."

Im Vergleich zu gängigen Prüfverfahren bietet die Methode den Vorteil, Ermüdungserscheinungen schon deutlich früher auf der Mikroebene aufzuspüren. Die Methode der Forscher könnte künftig in neuen Prüftechniken Verwendung finden. Darüber hinaus ist es nicht nur für nichtmagnetischen Stahl interessant, auch andere Werkstoffe wie Aluminium, Titan und bestimmte Verbundwerkstoffe könnten mit einer solchen Schicht versehen werden.

Die Arbeiten fanden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Spin+X – Spin in seiner kollektiven Umgebung" statt, der an der TU Kaiserslautern und der JGU angesiedelt ist. Hier beschäftigen sich Forscherteams aus Chemie, Physik sowie Maschinenbau und Verfahrenstechnik interdisziplinär mit magnetischen Effekten, die in die Anwendung überführt werden sollen. Im Fokus steht dabei der Spin. In der Sprache der Physik beschreibt der Spin den quantenmechanischen Eigendrehimpuls eines Quantenteilchens, etwa eines Elektrons oder Protons. Er bildet die Grundlage für viele magnetische Phänomene.